Diagnostische Angiographie
Bei der angiographischen Untersuchung handelt es sich um die invasive (d. h. mit einer Punktion verbundene) Darstellung von Gefäßen mit Kathetern und Kontrastmittelgabe. Üblicherweise wird die Angiographie als sogenannte Digitale Subtraktionsangiographie (DSA, s. u.) durchgeführt. Die zusätzliche Behandlung von angiographisch erhobenen Befunden (z. B. Gefäßengstellen) wird als minimal invasive Therapie bezeichnet.
Technische Grundlagen der Angiographie
Bei der Angiographie handelt es sich um ein projektionsradiographisches Verfahren. Das Angiographiegerät besteht aus einem beweglichen Untersuchungstisch und einer Röntgenröhre mit Bildverstärker, die meist in C-Bogen-Anordnung montiert sind. Während der Untersuchung wird dieser C-Bogen häufig um den Patienten oder entlang des Patienten bewegt, um die Gefäße aus verschiedenen Betrachtungswinkeln oder auf einer längeren Strecke zu erfassen.
Ablauf der Untersuchung
Nach der Aufklärung über das Ziel und die möglichen Risiken der Untersuchung wird unter örtlicher Betäubung eine spezielle Punktionsnadel (Durchmesser ca. 1 mm) in eine Schlagader (Arterie) oder Vene eingeführt. Abhängig von der Fragestellung und den anatomischen Gegebenheiten erfolgt die Punktion in der Leisten- oder Ellbeuge, in seltenen Fällen im Bereich der Achsel oder des Halses. Durch die Punktionsnadel wird ein dünner, sehr flexibler Draht in das Innere des Blutgefäßes vorgeschoben. Die sehr weiche, gebogene Spitze dieses sogenannten Führungsdrahtes verhindert eine Gefäßverletzung. Über den Führungsdraht wird der Katheter an die Stelle des Gefäßsystems platziert, die untersucht werden soll. Je nach Fragestellung werden verschiedene Katheter verwendet. Um mehrere Gefäße gleichzeitig darzustellen, wird ein Übersichtskatheter, für die Darstellung einzelner Gefäße ein Selektivkatheter benutzt.
Um die Blutgefäße erkenn- und beurteilbar zu machen, wird über den Katheter Kontrastmittel eingespritzt. Während der Kontrastmittelinjektion tritt in der untersuchten Körperregion üblicherweise ein Wärmegefühl auf, dies ist normal und hält einige Sekunden an. Während der Kontrastmittelinjektion werden in schneller Folge Röntgenaufnahmen der Untersuchungsregion angefertigt. Heutzutage werden die Aufnahmen in der Regel elektronisch angefertigt und per Computer nachverarbeitet, so dass nur noch die interessierenden Gefäße abgebildet werden (sogenannte digitale Subtraktionsangiographie, DSA).
Die Untersuchung ist meist nach 15 bis 30 Minuten abgeschlossen. Komplizierte anatomische Verhältnisse oder die Durchführung einer therapeutischen Maßnahme in den Gefäßen können zu einer Verlängerung der Untersuchungszeit führen. Nach Entfernen des Kathetermaterials wird die Punktionsstelle für etwa zehn Minuten komprimiert und anschließend ein Druckverband angebracht.
Abhängig vom Durchmesser der verwendeten Katheter ist eine Bettruhe von vier bis zwölf Stunden zu empfehlen, der Druckverband soll für etwa 24 Stunden belassen werden.
Indikationen
Zu allein diagnostischen Zwecken ist aufgrund der hohen Qualität von computer-tomographischen oder magnetresonanztomographischen Untersuchungen die Angiographie häufig nicht mehr notwendig. Sinnvollerweise wird die Indikation zur Angiographie gemeinsam von den zuweisenden Ärzten mit den durchführenden Radiologen gestellt. So wird gewährleistet, dass der Patient die für die Fragestellung am besten geeignete Untersuchung erhält.
Typische Indikationen zur Angiographie sind: Die periphere vaskuläre Verschlusskrankheit mit deutlicher Gehstreckeneinschränkung (Gehstrecke weniger als 200 m, Fontaine-Stadium II b) zur Vorbereitung einer minimal-invasiven radiologischen Intervention (z. B. Ballon-Aufdehnung) oder chirurgischen Maßnahme, V. a. hochgradige Einengung der hirnversorgenden Gefäße, Nachweis bzw. Ausschluss einer Nierenarterienstenose, Darstellung von Organgefäßen (z. B. Leber) zur Operations- oder Interventionsvorbereitung.
Kontraindikationen
Eine deutlich erhöhte Blutungsneigung oder ein generalisiertes Entzündungsgeschehen (Sepsis) stellen für die nicht notfallmäßig durchzuführende Angiographie relative Kontraindikationen dar.
Eine mögliche Reaktion auf jodhaltige Kontrastmittel bedeutet keine absolute Kontraindikation. Bei den meisten, anamnestisch angegebenen Kontrastmittelreaktionen handelt es sich um gar keine oder nur milde allergische Kontrastmittelreaktionen. In diesen Fällen kann unter dem Schutz bestimmter Medikamente die Angiographie nebenwirkungsfrei durchgeführt werden. Bei bekannter schwerer Kontrastmittelreaktion (anaphylaktischer Schock) sollte allerdings auf die Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln verzichtet werden.
Bei Schilddrüsenfehlfunktionen kann ebenfalls eine relative Kontraindikation bestehen.
Bei Nierenfunktionsstörungen (erhöhter Kreatinin-Wert) besteht die Gefahr der zunehmenden Funktionseinschränkung bis hin zum Funktionsverlust der Niere durch die Kontrastmittelgabe. In diesen Fällen ist zu diskutieren, ob nicht andere Untersuchungen (z. B. Doppler-Ultraschall, Kernspintomographie) möglich und ausreichend sind.
Nebenwirkungen und Komplikationen
An der Punktionsstelle kann sich nach der Untersuchung in seltenen Fällen ein Bluterguss bilden. Veränderungen der Gefäßwand (z. B. Aneurysma) oder Infektionen an dieser Stelle sind extrem selten.
In sehr seltenen Fällen können insbesondere bei vorbestehenden Gefäßveränderungen wie ausgeprägter Verkalkung mit Engstellen und Verschlüssen oder bei Blutgerinnseln Gefäßverletzungen durch den Führungsdraht oder Katheter hervorgerufen werden. Dies kann zu einem plötzlichen Gefäßverschluss führen. Da dies während der Untersuchung sofort erkannt wird, können entsprechende Behandlungsmaßnahmen unmittelbar eingeleitet werden.
Bei (unbekannter) Überempfindlichkeit auf jodhaltige Kontrastmittel treten als leichte Reaktion Niesen, Übelkeit, Juckreiz und Hautausschlag, als schwere Reaktion Herz- und Kreislaufreaktionen bis hin zum Atemstillstand auf.
Patientenvorbereitung
Nehmen Sie am Vorabend der Untersuchung keine schweren Mahlzeiten ein. Ab vier Stunden vor der Untersuchung sollen Sie nicht mehr rauchen und nichts mehr essen, Tee oder Mineralwasser sind jedoch erlaubt. Medikamente z. B. gegen Herzrhythmusstörungen oder hohen Blutdruck sollen Sie auch am Untersuchungstag nehmen.
Diagnostische Neuro-Angiographie
Bei der Angiographie (Gefäßdarstellung) werden die Blutgefäße mittels Kontrastmittel sichtbar gemacht. Hirn- und rückenmarksversorgende Gefäße werden einzeln von der Leistenarterie aus mit einem etwa 1,5 mm dicken Katheter aufgesucht. Das gezielte superselektive Sondieren auch kleinster Gefäße (Katheterisierung) setzt eine Kontrolle mit einem hochleistungsfähigen Röntgendurchleuchtungsgerät und die Anwendung äußerst dünner Katheter (Mikrokatheter) voraus.
Da es sich um eine invasive Diagnostik mit einer Komplikationswahrscheinlichkeit bis ca. 0,5 % handelt, wird die Angiographie meist für die Planung einer Therapie (Operation oder Kathetertherapie) vorgenommen. Für eine Reihe von Erkrankungen ist die Angiographie unverzichtbar, z. B. bei der Abklärung von Hirnblutungen, Gefäßmissbildungen (Aneurysmen, arteriovenöse Angiome, durale Fisteln) und zur Planung einer endovaskulären (endovaskulär = über die Arterien oder Venen von innen mittels Katheter) oder operativen Therapie.