Ortwin Fritsche fühlt sich noch etwas schlapp. „Aber sonst geht es mir wieder gut“, sagt der 78-Jährige am Telefon. Fritsche hat 19 Tage auf der Corona-Isolier-Station des Klinikums Bremen-Mitte verbracht, erkrankt an Covid 19. Nun ist er wieder genesen – und hat seinen eigenen Weg gefunden, das Erlebte zu verarbeiten.
Ein paar Tage hatte Ortwin Fritsche mit Freunden in seinem Haus in Ligurien verbracht. Getroffen haben sie nur ganz wenige Menschen, näher gekommen ist er wissentlich niemandem. Wie und wo er sich angesteckt haben kann – Fritsche weiß es nicht. Seine Freunde sind alle gesund. Am 9. März fuhren sie mit dem Auto zurück nach Deutschland, buchstäblich direkt hinter ihnen wurden die Grenzen geschlossen. Wieder zu Hause beginnt er noch, mit seinem Sohn den Keller zu renovieren, dann bricht er zusammen. Von Erkältungs-Symptomen und Fieber allerdings keine Spur. „Schlecht war mir und schwindelig. Meine Körpertemperatur sank immer weiter. Ich konnte nicht mehr denken und dachte, ich sterbe.“ Nach einem Telefonat mit dem Hausarzt bringt ihn seine Frau in die Corona-Ambulanz am Klinikum Bremen-Mitte. Dort wird er sofort aufgenommen und auf die Isolationsstation verlegt.
Über seine Zeit auf der Station hat der pensionierte Luft-und Raumfahrtingenieur, der inzwischen Kinderbücher schreibt, zwei Texte verfasst. „Aus Dankbarkeit und zur Aufmunterung“, sagt er. Neben der Kinder-Geschichte „Die Seifenblasenkönigin“, die in den sozialen Netzwerken unterwegs ist und Kindern das Thema „Corona“ märchenhaft phantasievoll erklärt, entstand der Text „Kuscheln auf Distanz“ über seine Erfahrungen auf der Isolierstation. Darin heißt es: „Die Helfenden schwitzten an den Krankenbetten, blieben jedoch immer freundlich und geduldig. Für mich war es ein ‚seelisches Kuscheln‘, was ich erlebte, denn ich spürte ihre Liebe zu den Menschen und ihren unbedingten Willen, zur Genesung ihrer Patienten beizutragen.“ Fitsche ist überzeugt, dass er seine Genesung vor allem der „liebevollen, tröstlichen Nähe zu den Pflegerinnen – von Herzen und auf Distanz“ verdankt.
Als es ihm etwas besser geht, ermutigt ihn das Stationsteam um die Infektiologin Dr. Christiane Piepel sich in seinem Zimmer zu bewegen. „Das war anfangs sehr mühsam, ging aber jeden Tag besser“, erzählt der Bremer: „Meine innere Stimme bildete einen Slogan: Corona rocken, auf die Socken, Zimmerjoggen!“ Und mit Havannamusik, die ihm seine Frau aufs Handy schickte, „joggte“ er dann täglich 2000 Schritte in mehreren Etappen durch das Krankenzimmer.
Nach knapp drei Wochen Isolation betreten dann plötzlich fünf Pflegerinnen sein Zimmer – ohne Schutzanzüge. Die neuen Abstriche sind negativ. „Sie haben es überstanden, wir sind froh, dass wir gemeinsam das Corona-Virus besiegt haben“, sagen sie. Fritsche bricht in Tränen aus. „Das war ein überwältigender Moment.“
Inzwischen macht der Bremer schon wieder neue Pläne. „Ohne Projekte und Arbeit – das geht bei mir nicht“, sagt er lachend. Das erste Kinderbuchprojekt mit seiner Tochter, die als Grafikerin in Berlin lebt und auch die Zeichnungen zu seinen beiden Corona-Geschichten gefertigt hat, ist fast fertig. Ein zweites ist nun in Vorbereitung. Auch wenn sich Fritsche noch etwas kurzatmig fühlt, ist er einfach dankbar und glücklich. „Ich fühle mich prima“, sagt er, aber er gehe jetzt alles ein wenig besonnener und ruhiger an als vor seiner schweren Erkrankung.