Piloten tragen eine große Verantwortung. Der kleinste Fehler im Cockpit kann fatale Folgen haben – dennoch gilt das Flugzeug als das sicherste Verkehrsmittel. Grund genug für viele Krankenhäuser, sich die Sicherheitskultur der zivilen Luftfahrt genauer anzuschauen und bewährte Verfahren aus der Luftfahrt zu übernehmen. Auch das Klinikum Links der Weser will prüfen, ob Methoden aus dem Cockpit künftig im OP zur Anwendung kommen können.
„Zwischen der Arbeit im OP und der Arbeit im Cockpit gibt es viele Gemeinsamkeiten“, sagt Privatdozent Dr. Arnd Böhle, ärztlicher Geschäftsführer des Klinikums Links der Weser. „Beide Arbeitsplätze sind hochkomplexe Systeme, an denen die Technik funktionieren muss, an denen aber auch Menschen beteiligt sind, die schnell Entscheidungen treffen müssen. Und in beiden Bereichen können Fehler tödliche Folgen haben.“ Schon heute spiele die Sicherheit im OP eine große Rolle. „In den letzten Jahren hat es in den Krankenhäusern einen Kulturwandel gegeben. Früher galten streng hierarchische Strukturen, heute weiß man, wie wichtig die Arbeit im Team und die effektive Kommunikation untereinander ist.“
Dazu habe beispielsweise das Aktionsbündnis Patientensicherheit beigetragen, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO vor einiger Zeit auf den Weg gebracht habe. Schon jetzt gebe es beispielsweise bei jeder Operation Checklisten, die routinemäßig abgefragt werden müssen. Die Patienten bekommen Armbänder, die eine Personen- oder Eingriffsverwechslung ausschließen sollen. Gibt es unerwünschte Behandlungsverläufe, werden diese regelhaft in Konferenzen besprochen und analysiert. „Es ist selbstverständlich, dass wir mit allergrößter Sorgfalt arbeiten“, sagt Böhle. „Dennoch können wir uns noch weiter verbessern, was unsere Sicherheitskultur angeht.“
Nach dem Motto „Gutes noch besser machen“ hat der ärztliche Geschäftsführer deshalb jetzt Kontakt zu zwei Ausbildungspiloten der Lufthansa geknüpft, die sich seit Jahren intensiv damit auseinandersetzen, wie Fehler als Chancen für Verbesserungen begriffen werden können. Bei einem ersten Besuch im Klinikum Links der Weser kamen Christopher Heim und Andreas Rüdel mit Chef- und Oberärzten ins Gespräch und berichteten, mit welchen Methoden sie junge Piloten auf Krisen im Cockpit vorbereiten.
„Die Methoden sind nur Werkzeuge. Entscheidend ist, dass sich die Menschen darauf einlassen, aus Fehlern zu lernen und sie nicht als Versagen zu begreifen“, erläutert Andreas Rüdel. In der Luftfahrt sei dies ein langer Prozess gewesen, ergänzt Christopher Heim. „Nach den schweren Flugzeugunglücken in den sechziger und siebziger Jahren musste die Luftfahrt leidvoll lernen, dass man Fehler nicht verstecken kann. Aber das Umdenken hat stattgefunden. Heute wächst jeder junge Pilot in eine Unternehmenskultur hinein, in der Sicherheit höchste Priorität hat – und das bedeutet, dass man über Fehler sprechen muss.“ Dazu gehöre auch, dass junge Copiloten ermutigt werden, das Handeln ihrer Vorgesetzten zu hinterfragen. Zudem trainieren die Ausbildungspiloten mit jungen Kollegen Verfahren, die dabei helfen, kritische Situationen zu meistern. „Das sind eigentlich ganz einfache Abläufe, die uns aber helfen, im Team die richtige Entscheidung zu treffen – und diese dann auch zu überprüfen.“
Damit sollen sich nun auch die Ärzte im Klinikum Links der Weser in Fortbildungen und Schulungen beschäftigen. „Wichtig ist mir, dass wir uns mit unserer Fehlerkultur auseinandersetzen“, sagt der ärztliche Geschäftsführer Böhle. „Wir sind schon auf einem guten Weg. Aber wir Ärzte begreifen Fehler oft als persönliches Versagen. Wenn wir diese Perspektive ändern, kann uns jeder Fehler helfen, besser zu werden.“