Ob es das gebrochene Bein ist, ein Gallenstein oder Leber und Nierenerkrankungen – viele betagte Menschen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, sind nach einiger Zeit körperlich wieder gesund. Was aber oft bleibt, sind kognitiven Einschränkungen, die vorher kaum aufgefallen sind und nun zum Problem werden. Die Betroffenen kehren verwirrt nach Hause zurück. Nicht selten ist ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden dann plötzlich gar nicht mehr denkbar.
„Für betagte Menschen kann ein Krankenhaus-Aufenthalt eine verstörende Situation sein“, sagt Professor Thomas Duning, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. Die ungewohnte Umgebung, neue Medikamente, ein operativer Eingriff, eine Elektrolytverschiebung im Körper oder Fieber – das alles können, so Duning, Risikofaktoren für ein Delir, einen akuten Verwirrtheitszustand sein, mit zum Teil irreparablen Folgen. Das Hirn verliere im Alter seine Anpassungsfähigkeiten und reagiere entsprechend sensibel auf plötzliche Veränderungen.
Dementsprechend verschlechtert sich bei fast 60 Prozent der über 70-Jährigen, die vorher nur leichte Symptome einer Demenz gezeigt haben, der kognitive Zustand nach einem operativen Eingriff im Krankenhaus merklich bis stark. Kurz nach der Operation sind viele ältere Menschen verwirrt, die Gedanken sind ungeordnet, manche sind aufgebracht oder sogar aggressiv. Für viele Mediziner noch immer ein übliches „Durchgangssyndrom“ – also ein Verwirrtheitszustand nach der Narkose – das sich nach ein paar Tagen von selbst bessert. Leider ist das aber bei dieser betagten Patientengruppe oft nicht der Fall. Nicht selten bleiben die Einschränkungen dauerhaft bestehen. „Das muss nicht sein“, sagt Duning, der an seinem vorherigen Arbeitsplatz am Universitätsklinikum Münster bis 2021 eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema geleitet hat. Hier entwickelte er zusammen mit Kolleginnen und Kollegen ein Konzept zur Versorgung älterer Patienten mit kognitiven Einschränkungen, die sich im Krankenhaus behandeln lassen müssen. Duning und seine Kollegen konnten nachweisen, dass die Folgen bei einem konsequenten „Delir-Management“ viel weniger gravierend waren oder gar nicht auftraten. „Mit guten medikamentösen Konzepten und pflegespezifischen Methoden gelingt es recht effektiv, eine dauerhafte Verschlechterung und eine Alltagsrelevanz von Demenzsymptomen zu verhindern“, so Duning. Dabei stellt der Chefarzt klar, dass solche Konzepte nur bei engmaschiger Betreuung der Patienten und in Zusammenarbeit mit Neurologen, Pharmakologen, Geriatern, den behandelnden Fachärzten und vor allem auch der Fachpflegekräfte möglich sind. Dunings Ergebnisse wurden jetzt im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Jetzt soll es daher auch im Klinikum Bremen-Ost weitergehen in Sachen „Delir-Management“. Duning möchte dies demnächst auch hier für betagte Patientinnen und Patienten aller Fachbereiche des Hauses anbieten, um eine noch bessere Rundum-Betreuung gewährleisten zu können. Alle wichtigen Teampartner für ein solches Angebot gibt es im Haus. Das Klinikum Bremen-Ost verfügt neben der Neurologie über eine große Geriatrie, eine demenzsensible Station, eine Gerontopsychiatrie und entsprechend geschultes Personal. Schon aktuell werden solche Patienten gut und sehr spezifisch am Klinikum betreut. Angelehnt an Dunings Studiendaten soll bald zusätzlich ein Delir-Management-Team am Haus sein, das die Betroffenen schon vor der Operation oder Behandlung untersuchen und spezielle medizinische und pflegerische Konzepte anwenden kann.