Im Klinikverbund Gesundheit Nord managen Auszubildende zum Gesundheits- und Krankenpfleger in ihrem dritten Lehrjahr eine echte Krankenhausstation. Dabei löst ein Ausbildungskurs für vier Wochen das eigentliche Pflegeteam in sämtlichen Aufgaben ab. Dieses Modell der Schulstation soll die Schüler auf den Arbeitsalltag vorbereiten. Aber wie funktioniert das konkret? Wir haben die Schulstation auf der Station 61 in der Gerontopsychiatrie am Klinikum Bremen-Ost besucht.
Monika Malczak bereitet die tägliche Morgenrunde vor. Es wird ein Stuhlkreis aufgestellt, so dass jeder einander sehen kann. Allmählich trudeln die Patientinnen und Patienten ein, manche kommen von alleine, manche müssen erinnert, begleitet, andere wiederum motiviert werden. Dann moderiert Monika Malczak die Runde mit ruhiger Stimme an. Der Tag wird gemeinsam mit den Patienten geplant. Jeder findet ein offenes Ohr. Und die Patienten erzählen drauf los, wie es ihnen gerade geht oder was sie beschäftigt. „Ich brauche heute Mal meine Ruhe“, sagt eine Frau und winkt ab. Eine andere merkt an, sie könne es „nicht ausstehen, wenn die anderen so blöde daherreden.“ Ein leises Raunen geht durch den Raum. Zwei andere Damen bekommen davon nichts mit. Sie nutzen die Morgenrunde für ein Nickerchen. So geht das noch einige Minuten weiter, bis Monika Malczak die Morgenrunde beendet.
Die 26-Jährige strahlt eine große Professionalität und Ruhe aus bei dem, was sie tut. Dass sie eigentlich noch in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin ist, spielt hier auf Station 61 der Abteilung für Gerontopsychiatrie am Zentrum für Psychosoziale Medizin am Klinikum Bremen-Ost offenbar für niemanden eine Rolle. Auch dass das komplette Stationsteam im Pflegebereich seit einigen Wochen „nur noch“ aus Auszubildenden besteht, fällt nicht auf.
Monika Malczak ist Teil des Ausbildungskurses 2014b des Integrativen Bildungszentrums der Klinika Bremen-Ost und -Nord. Sie und ihre 22 Kolleginnen und Kollegen bilden seit Februar das Pflegeteam auf Station 61. Die ganze Station ist sozusagen in Schülerhand. Die angehenden Gesundheits- und Krankenpfleger managen alle Abläufe und kümmern sich hier in der Gerontopsychiatrie über einen Monat lang um ältere Patienten mit psychischen Auffälligkeiten. Die häufigsten Krankheitsbilder, mit denen sie konfrontiert werden, sind Schizophrenien, Depressionen und Manien.
Eine reguläre Station, auf der die Auszubildenden die Regie übernehmen, nennt sich Schulstation. Und es steckt natürlich eine Idee dahinter: Die Schülerinnen und Schüler werden auf ihre Arbeit im Stationsalltag vorbereitet. Sie handeln eigenverantwortlich und übernehmen alle Pflegeaufgaben des bisherigen Stationsteams. Einzig die Nachtschichten werden in dieser Zeit noch vom eigentlichen Pflegeteam übernommen.
„Es ist unsere größte praktische Herausforderung bisher“, sagt Monika Malczak. Die 23-köpfige Gruppe ist im dritten Ausbildungsjahr und absolviert im Juli ihr Staatsexamen. Dass die Schüler die Station in der Gerontopsychiatrie übernommen haben, ist eine Besonderheit. „Die Psychiatrie ist eine große Herausforderung“, sagt Jörg Bussmann, diplomierter Berufspädagoge und Projektleiter der Schulstation. Normalerweise seien die angehenden Pflegekräfte in ihrer Arbeit auf körperliche Krankheitsbilder fokussiert. Dass es nun um psychische Erkrankungen geht, sei eine Umstellung für sie. „Da muss man sich erst einmal hineinfühlen. Es sind eben Krankheiten, die mit einem Verband nicht wegzukriegen sind“, sagt Monika Malczak. Die Termine seien nicht so klar getaktet wie auf anderen Stationen, vieles hänge eben vom psychischen Zustand der Patienten ab.
Intensive Vorbereitung, gut besetzte Schichten
Das Modell der Schulstation gibt es seit 2004. Die Schüler werden vor ihrem Einsatz gezielt auf die Arbeitsabläufe und die konkreten Krankheitsbilder auf der Station vorbereitet. Außerdem gibt es einen Hospitationstag. Dann geht es los mit der Arbeit auf Station. Das eigentliche Pflegeteam ist in der ersten Woche noch in voller Besetzung vor Ort, um die Schüler ins Projekt zu begleiten. Ab der zweiten Woche, wenn die Auszubildenden allmählich einen Arbeitsrhythmus gefunden haben, sind weiterhin ein bis zwei Kollegen des Stammpersonals zur Unterstützung im Hintergrund. Nachteile entstehen für die Patienten keine. Eher das Gegenteil ist der Fall. Mit insgesamt 23 Auszubildenden können die drei Tagesschichten auf Station 61 sogar so gut besetzt werden, dass Patienten eine noch individuellere Betreuung bekommen können als sonst.
Dreh- und Angelpunkt auf Station 61 ist das Dienstzimmer. Es vergeht kaum eine Minute, in der kein Patient in der Tür steht und ein Anliegen hat. Monika Malczak und ihre Kolleginnen und Kollegen sind ständig gefragt und müssen parallel natürlich auch dokumentieren, sich untereinander besprechen oder Übergaben vorbereiten. Das Stationsmanagement macht einen großen Teil der Arbeit aus. Hinzu kommt die Herausforderung für die Schüler, überhaupt erst einmal als Gruppe zu funktionieren. Es gilt eben nicht nurKonflikte unter Patienten sondern auch innerhalb des Teams zu bewältigen, Eigenverantwortung zu entwickeln und auch eine gewisse Autorität auszustrahlen.
„Wir achten im Team hier richtig gut aufeinander und pflegen vor allem eine aufrichtige und ehrliche Kommunikation“, sagt Monika Malczak. Das sei eine Stärke dieses Kurses. Besonders spannend seien die ersten Tage gewesen. Die Schüler mussten sich schnell in ihr neues Umfeld einarbeiten, und die etablierten Pflegekräfte mussten gleichermaßen lernen Verantwortung abzugeben. Es dauerte nicht lange, und die Gruppe funktionierte gut, erzählt Malczak. Auch die Patienten akzeptierten die „Neuen“. Ein bisschen schade findet sie es schon, wenn die vier Wochen am 10. März auch schon wieder vorbei sind. Monika Malczak sagt: „Wir würden hier gerne noch ein paar Wochen dranhängen.“
(5897 Zeichen inkl. Leerzeichen)