Die Zahlen sind alarmierend: Etwa 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland im Alter von drei bis 17 Jahren sind übergewichtig - das sind 1,9 Millionen. Die Hälfte von ihnen gilt als krankhaft übergewichtig, also adipös. Seit den 80iger-Jahren ist der Anteil übergewichtiger Kinder um 50 Prozent gestiegen, der der adipösen Kinder hat sich sogar verdoppelt. Deutschland nimmt damit auch im europaweiten Vergleich eine unrühmliche Spitzenposition ein.
Das Klinikum Bremen-Nord hat sich auf die ambulante Behandlung von adipösen Kindern und Jugendlichen spezialisiert und kann auch im überregionalen Vergleich beachtliche Erfolge aufweisen. Bei rund einem Drittel aller Patienten ist auch noch ein Jahr nach der Therapie der Body-Mass-Index (BMI) deutlich niedriger als vor der Therapie. Im bundesweiten Durchschnitt schaffen das lediglich 15 Prozent aller Patienten. Der BMI ist eine Maßzahl für die Bewertung des Körpergewichts im Verhältnis zur Größe. Erwachsene gelten ab einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30 als stark übergewichtig. So einfach ist die Abgrenzung bei Kindern nicht. „Der Faktor Alter spielt bei Kindern eine viel größere Rolle, wenn es um die Beurteilung des Körpergewichts geht", sagt Ingo Weidanz, Psychologe am Klinikum Bremen-Nord und gemeinsam mit Dr. Gunter Simic-Schleicher, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, zuständig für die Adipositas-Schulungen. Betreut werden dort auch noch sehr junge Kinder - ein Angebot, dass nur wenige Kliniken in Deutschland bieten. „Wir haben eigens für Kinder von vier bis sieben Jahren eine Therapie-Gruppe eingerichtet", sagt Ingo Weidanz.
Das am Klinikum Bremen-Nord entwickelte Schulungsprogramm setzt sich aus vier Modulen zusammen: einem Bewegungsprogramm, Ernährungsberatung und einem medizinischen sowie einem psychologischen Teil. „Wir versuchen mit dem Programm wieder mehr Bewegung in den Alltag der Kinder zu integrieren", erklärt Weidanz. Gemeinsam mit den Eltern werde dann ein Ernährungsplan erstellt. Im medizinischen Teil informieren Experten über die möglichen Folgeerkrankungen von Adipositas. Warum Essen kein Mittel gegen Stress oder Langeweile ist, wird schließlich im psychologischen Teil erklärt. „Grundsätzlich ist es wichtig, sich in der Therapie realistische Ziele zu setzen", rät Weidanz. Bei Kindern und Jugendlichen reiche es häufig schon aus, das Gewicht zu halten. Von Diäten rät der Experte ab: „Die bewirken langfristig meistens nur das Gegenteil."
Vor allem zwei Gründe führt der Experte an, wenn es darum geht, zu ergründen, warum es immer mehr dicke Kinder und Jugendliche gibt: zu fettreiche Ernährung bei zu wenig Bewegung. Kinder sitzen heute sehr viel: in der Schule, vor dem Fernseher oder dem Computer. Wer sich aber wenig bewegt, verbraucht kaum Kalorien und nimmt somit schneller zu. Auch die Veranlagung spielt eine gewichtige Rolle, denn bei entsprechender genetischer Vorbelastung können Kinder schneller dick werden - aber nicht zwangsläufig. Viel wichtiger hingegen ist die Vorbildrolle der Eltern. „Kinder übernehmen deren Gewohnheiten", sagt Ingo Weidanz. Je jünger die Kinder sind, desto mehr Einfluss über die Eltern auf Ihre Kinder aus. „Wir müssen sie mehr in die Pflicht nehmen und sie auf ihre Vorreiterrolle hinweisen."
Fachleute warnen schon lange vor den Folgen von Übergewicht für Körper und Geist. Übergewicht fördert Bluthochdruck, kann die Blutfettwerte und den Blutzuckerspiegel erhöhen und Diabetes verursachen. Langfristig steigt auch die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nicht zu unterschätzen sind auch die möglichen psychischen Auswirkungen. Übergewichtige Kinder sind im Kindergarten oder der Schule häufig isoliert. Doch nicht nur andere Kinder können verletzend sein. Auch schiefe Blicke, ständige Ermahnungen und Kritik der Eltern nagen am Selbstwertgefühl der Kinder.
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