Bereits kleinste Mengen von Erdnüssen können bei Allergikern lebensbedrohliche Folgen haben. Schwerer Ausschlag, Kreislaufprobleme, Luftnot, Ersticken – Anaphylaxie nennt man diese heftigen Reaktionen des Körpers in der Fachsprache. Die Erdnussallergie ist bei Kindern und Jugendlichen weltweit die häufigste Nahrungsmittelallergie – und neben der Allergie auf Fischeiweiß und Krustentiere – die gefährlichste obendrein. In 80 Prozent der Fälle hält sie sogar bis ins Erwachsenenalter an. „Bisher war Vermeidung die einzige Möglichkeit, sich vor den heftigen körperlichen Reaktionen zu schützen. Betroffene sollten immer eine Notfallspritze – einen sogenannten Adrenalin-Autoinjektor – bei sich tragen“, sagt Dr. Petra Kaiser-Labusch, Kinderpneumologin im Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess (Elki). Seit 1. November ist nun ein Mittel zugelassen, das erstmals die Chance bietet, die Erdnussallergie bei Kindern von vier bis 17 Jahren dauerhaft in den Griff zu bekommen. „Das ist ein riesiger Fortschritt“, sagt Kaiser-Labusch, die die neue Therapie mit ihrem Team auch im Elki anbietet.
Das Prinzip ist die Hyposensibilisierung, die bei anderen Allergien schon längst erprobt ist, die bei Erdnuss-Allergikern aber bisher nicht möglich war. Die Therapie funktioniert wie ein dauerhaftes Training für den Körper. Bei dem neuen Mittel namens Palforzia® handelt es sich um ein Pulver, das eine bestimmte Dosis des für Allergiker gefährlichen Erdnussproteins enthält. Dieses Pulver wird vor der Einnahme in einen Joghurt, ein Püree oder etwas ähnlich breiartiges gerührt, so dass der Körper das komplette Pulver aufnehmen kann und anders als bei einer Wasserlösung keine Bestandteile im Glas zurückbleiben. „Die Gabe des Pulvers muss täglich und über einen langen Zeitraum von mindestens zwei Jahren erfolgen. Die Protein-Dosis wird dabei in mehreren Phasen über das erste halbe Jahr immer weiter erhöht“, erklärt Kinderärztin Kaiser-Labusch. Die ersten beiden Therapiephasen gehen über sechs Monate, der Therapie-Beginn läuft unter ärztlicher Aufsicht – zum Beispiel in der Tagesklinik des Elki, danach geht es ambulant weiter. „Nach einem halben Jahr etwa ist man in der Erhaltungstherapie angelangt. Dann entspricht die tägliche Dosis etwa einer halben Erdnuss. Der Körper zeigt dann in der überwiegenden Mehrheit der Fälle keine heftigen Reaktionen mehr“, sagt Kaiser-Labusch.
Für die jungen Patientinnen und Patienten und deren Eltern sei das gerade auch psychisch eine riesige Erleichterung. „Die Kinder, die diese Allergie haben, leiden ständig unter dem Druck, bloß nicht mit Erdnussprodukten in Berührung zu kommen – und mit ihnen leiden natürlich auch die Eltern und Geschwister“, sagt Kaiser-Labusch. Viele Betroffene entwickelten sogar Albträume.
Ob man unter einer Erdnussallergie leidet, stelle man im Grunde immer erst fest, wenn es zu einer heftigen Allergiereaktion kommt. Kaiser-Labusch meint damit explizit nicht Fälle, in denen nach dem Konsum von Erdnüssen mal leicht der Hals kribbelt. „Es geht um die Betroffenen mit schweren Auswirkungen, ihnen kann mit der neuen Therapie geholfen werden.“ Sie und ihr Team freuen sich, dass es in den nächsten Wochen mit den ersten Hyposensibilisierungstherapien losgehen kann.
Angebot an Redaktionen: Wenn Sie mehr zu dem Thema erfahren wollen, vermitteln wir Ihnen gerne ein Gespräch mit Dr. Petra Kaiser-Labusch, Kinderpneumologin am Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess