Oft sind Bauchschmerzen der Auftakt für eine ungesunde Entwicklung. Bei Kindern können sie relativ häufig auftreten. Doch meist gibt es keine organischen Ursachen. Für viele besorgte Eltern sind Bauchschmerzen dann oft der Anlass dafür, die Ernährung ihrer Kinder auf eigene Faust umzustellen. „Es ist geradezu ein Diäten-Hype entstanden, den wir Kindergastroenterologen gar nicht gutheißen“, sagt Dr. Martin Claßen, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Links der Weser und 1. Vorsitzender der Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE). Ein aktueller Trend sei die glutenfreie Kost, ohne dass es den Beweis für eine lebenslange Unverträglichkeit gegenüber dem Gluten gibt. Gluten ist in den meisten Getreidesorten enthalten. Auch „beliebt“ sei die Lactoseintoleranz, ohne dass es eine ärztliche Diagnose dafür gibt, dass der angeblich Betroffene den Milchzucker nicht verträgt.
„Jede Diät kann zu Einschränkungen der Lebensqualität der Kinder führen“, warnt Dr. Martin Claßen. Eine damit verbundene Mangel- oder Fehlernährung könne sogar die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern langfristig gefährden. Zwar seien Ratschläge aus diversen Elternmagazinen oder Foren gut gemeinte Tipps, doch ergäben sich so auch Risiken für eine Fehl- oder Mangelernährung. Viele Nährstoffe, auf die Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung besonders angewiesen seien, würden ihnen durch unnötige Diäten vorenthalten. Und nebenbei bekämen sie so auch den Eindruck, dass Lebensmittel eine Gefahr für sie sein könnten.
Vor allem auf Mikronährstoffe wie Vitamin D, Folsäure, Eisen und Kalzium sollten Eltern bei der Ernährung ihrer Kinder achten, sagt Claßen. Kalzium etwa sei wichtig für den Knochenaufbau. Der Bedarf bei Kindern und Jugendlichen sei besonders hoch und sollte vor allem über Milchprodukte gedeckt werden. Bekommen Kinder zu wenig von dem Nährstoff, „gibt es akut zwar keine Symptome, dafür steigt das Risiko einer späteren Osteoporose (Knochenschwund)“, erklärt Claßen. Ebenfalls wichtig für den Knochenstoffwechsel ist Vitamin D und darüber hinaus auch für die Entwicklung des Immunsystems. Bei einem Mangel besteht laut Claßen die Gefahr, dass sich Allergien und echte Unverträglichkeiten bilden.
Einseitige Ernährung durch FODMAP-Diäten
Ein besonderes Problem stellen aus Sicht der Gastroenterologen aktuell die sogenannten FODMAP-Diäten dar. FODMAP ist eine Gruppe umwandelbarer Kohlenhydrate wie Laktose, Fruktose sowie Lebensmittelzusatzstoffe wie Sorbitol, Isomaltit oder Xylit, die in vielen industriell verarbeiteten Lebensmitteln vorkommen. Diese Kohlenhydrate sind auch in Naturprodukten wie Früchten, Honig, Weizen, Knoblauch, Zwiebeln und Insulin in Gemüsen wie Bohnen, Sojabohnen und Linsen enthalten. Lässt man all das weg, wird die Ernährung schnell einseitig. „Wenn diese Diät, deren Wirksamkeit kaum belegt ist, nicht von Experten begleitet wird, ist die Gefahr einer Mangelernährung sehr groß“, sagt Dr. Martin Claßen.
Bei körperlichen Beschwerden wie den häufigen Bauchschmerzen sollten Kinder unbedingt ärztlich untersucht werden, rät Claßen. Es stünden eine Reihe einfacher Untersuchungsverfahren für Kinder zu Verfügung, um den Verdacht präzise abklären zu können. Gemeinsam könne man die beste und verträglichste Therapiemethode und eine passende Ernährung finden und den Prozess überwachen. So gebe es sogar Fälle, bei denen eine Unverträglichkeit wieder verschwunden ist, nachdem die Ernährung nur vorübergehend umgestellt wurde. „Wir Kindergastroenterologen haben die Fachkenntnisse über Erkrankungen im Bauch“, sagt der Arzt. Eltern sollten sie bei Problemen für die Gesundheit ihrer Kinder nutzen.
Dr. Martin Claßen ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Links der Weser und 1. Vorsitzender der Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung. Wenn Sie zu dem Thema „Diäten-Hype“ weiterrecherchieren möchten, stellen wir gerne für Sie den Kontakt zu unserem Experten her.