Multiple Sklerose verläuft fast immer unterschiedlich, doch in der Therapie gibt es riesige Fortschritte. Mit der neuen Neurologischen Tagesklinik hat man am Klinikum Bremen-Ost nun ein zusätzliches diagnostisches und therapeutisches Zentrum geschaffen.Oft fängt es mit einem Kribbeln in Armen und Händen an, manchmal sind es auch Sehstörungen oder häufiges Stolpern, was den bösen Verdacht wecken kann: Bin ich vielleicht an Multiple Sklerose – kurz: MS – erkrankt? Es ist eine schwerwiegende aber gar nicht so seltene Erkrankungen des Zentralen Nervensystems, bei der verstreut Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark auftreten. In Deutschland gibt es etwa 200.000 MS-Erkrankte. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig wie Männer. Meist tritt MS im jungen Erwachsenenalter auf. Da die Verläufe, Beschwerden und die Therapieverläufe individuell sehr unterschiedliche sind, nennt man MS auch die „Krankheit der 1000 Gesichter“.
„Viele haben heute noch eine falsche Vorstellung davon, was MS eigentlich ist“, sagt Prof. Thomas Duning, Chefarzt der Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. MS bedeute weder, dass die Muskeln schwinden, dass man psychisch krank sei, noch, dass man zwangsläufig früh sterbe oder nach ein paar Jahren im Rollstuhl sitze. „Gerade zu Beginn der Erkrankung kann man den Verlauf sehr gut mit Medikamenten beeinflussen. Es kann zu einer Abheilung der entzündlichen Herde und zur Rückbildung der Krankheitszeichen kommen“, sagt Duning. Das gelte auch oder gerade für hochaktive Varianten.
Gute Alternative zu vollstationärer Behandlung
Die Erfahrung in der Behandlung von MS-Patienten ist in der Neurologie-Klinik am Klinikum Bremen-Ost groß. Nun hat sich das Krankenhaus mit einer neuen Tagesklinik noch stärker auf die Behandlung von Multiple Sklerose und weitere neurologische Erkrankungen fokussiert. „Die MS ist eine chronische Erkrankung, die eine regelmäßige neurologische Behandlung notwendig macht. Mit der Tagesklinik haben wir nun gerade für MS-Patienten eine diagnostische und therapeutische Anlaufstelle geschaffen“, sagt Duning, der die Neurologie seit Anfang dieses Jahres leitet und viel zusätzliches Know-how mitbringt. Neben Diagnostik und Therapieeinleitungen werden die Patienten auch neuropsychologisch untersucht. Auch kognitive Defizite sind bei MS-Patienten nicht selten. „Hierzu haben wir im Klinikum Bremen-Ost eigene wissenschaftliche Studien durchgeführt, von deren Erkenntnissen die Patienten heute profitieren“, so Duning.
Die Neurologische Tagesklinik bietet eine Alternative zu einer vollstationären Behandlung und steht Patientinnen und Patienten offen, die selbstständig und mobil sind. Sie bietet umfangreiche diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. „Es können an einem Tag verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, für die sonst mehrere Arztbesuche notwendig sind. Damit kann schnell und effektiv eine Therapie eingeleitet werden“, sagt Duning. Untersuchungen und Therapien, für die Patienten bisher stationär aufgenommen werden musste, seien nun in der Tagesklinik möglich.
Weniger Schübe und Hoffnung auf Stillstand
Die medikamentöse Therapie neurologischer Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Insbesondere bei der Behandlung der MS gibt es mittlerweile sehr innovative Therapieansätze. Bei keiner anderen neurologischen Erkrankung hat sich mehr getan als bei der MS. Wurde früher das eigene Immunsystem unspezifisch unterdrückt, um die MS einzudämmen und neue Entzündungsherde zu unterbinden, gibt es heute Medikamente, die sehr gezielt und spezifisch das eigene Immunsystem beeinflussen. „Durch den medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritt ist in einigen Fällen heute sogar ein weitgehender Stillstand der Krankheit möglich“, sagt Prof. Duning. „In der Wissenschaft sprechen wir dann von NEDA, also ‚no evidence of diesease activity‘.“ Das bedeute, dass über Jahre keine Krankheitsanzeichen mehr sichtbar seien.
Was passiert eigentlich genau im Körper?
Doch was läuft im Erkrankungsfall genau im Körper ab? Das Gehirn ist eine Art Schaltzentrale, in der Signale über das Rückenmark zum Körper gesendet oder von dort empfangen werden. Diese werden von verschiedenen Nervenfasern geleitet, die ähnlich wie elektrische Kabel von einer Schutzschicht umgeben sind. „Diese Isolierschicht besteht aus einem Stoff, der Myelin genannt werde. Entsteht eine Entzündung im Bereich dieser Schutzschicht, können die Botschaften nicht so wirkungsvoll übertragen werden – dadurch entstehen die neurologischen Symptome wie Kribbeln, Sehstörungen oder Stolpern“, sagt Duning . Allerdings gebe es diese Symptome auch bei anderen Erkrankungen, weshalb genaue Untersuchungen notwendig seien.
Ob tatsächlich eine MS vorliegt, kann in den neurologischen Kliniken der Gesundheit Nord geklärt werden. Es gibt unterschiedliche Verläufe und Subtypen der Erkrankung, weshalb nach Diagnosestellung eine individuelle Therapie angepasst werden muss. Die Diagnose ist nicht immer einfach, weshalb umfangreiche Untersuchungen erfolgen. Danach wird eine spezifische, an den Verlauf der Erkrankung und die Lebensumstände des Patienten angepasste Therapie angewendet. Hier gibt es inzwischen Tabletten, Infusionen oder sogar subkutane Spritzen, die in das Gewebe direkt unter der Haut gegeben werden. „Man sollte die Erkrankung insbesondere in frühen Phasen behandeln, weil hierdurch deren Verlauf besser beeinflussbar ist“, sagt Duning. „Es wäre nicht optimal, wenn man eine inzwischen gut behandelbare Krankheit zu spät entdeckt, weil die dann vorhandenen Defizite oft nicht mehr reversibel sind.“
Die neue Neurologische Tagesklinik am Klinikum Bremen-Ost steht Patientinnen und Patienten werktags von 8 bis 16 Uhr zur Verfügung. Eine stationäre Einweisung ist notwendig. Sie ist Alternative zur vollstationären Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Muskelerkrankungen und vielen mehr. Patientinnen und Patienten sollten für die Behandlung in der Tagesklinik ausreichend mobil sein und nicht weiter als 60 Kilometer von Bremen entfernt wohnen. Zentrale Terminvergabe unter der Telefonnummer 0421 408 2566.