Frühgeborene sind zwar unreifer als Babys, die geplant zur Welt kommen. „Aber sie sind nicht per se krank. Sie sind lediglich erst einmal an einem für sie ungünstigeren Ort“, sagt Dr. Thorsten Körner, leitender Arzt der Neonatologie am Klinikum Links der Weser. Normalerweise sollten die Kinder noch im Mutterleib wachsen und reifen. „Wir versuchen diesen sicheren Ort auf der Intensivstation so gut es geht zu imitieren, damit das Frühgeborene sich weiterentwickeln kann“, erklärt Körner. Insbesondere die Lunge ist sehr verletzlich und die Kinder müssen zudem das selbständige Atmen meist erst noch lernen. Aber auch andere Organe sind häufig noch unterentwickelt.
Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Ernährung. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Frühgeborene vornehmlich mit künstlicher Formula-Nahrung versorgt, heute setzt man vor allem auf Muttermilch. „Sie lässt sich durch kein künstlich hergestelltes Produkt imitieren“, sagt Dr. Thorsten Körner. Sie schütze durch verschiedene immunologisch wirksame Substanzen das Neugeborene nicht nur in den ersten Monaten vor Infekten, sondern wirke sich auch langfristig auf die Gesundheit aus.
„Man weiß heute, dass Kinder, die mit Muttermilch versorgt werden, sich nicht nur besser neurologisch entwickeln, sondern im Laufe ihres Lebens auch weniger anfällig für verschiedene Krankheiten wie Diabetes und allergische Erkrankungen sind“, so Körner. Nicht alle Mütter haben von Beginn an ausreichend Muttermilch. Um Frühgeborene von Beginn an mit ausreichend Frauenmilch versorgen zu können, wurde nun vom neonatologischen Team am Perinatalzentrum der Gesundheit Nord eine Frauenmilch-Bank gegründet. Mit ihr kann Milch von Spenderinnen aus den Reihen der eigenen Frühchen-Mütter gelagert und an die bedürftigen Frühgeborenen unserer Klinik abgegeben werden.
Muttermilch die beste Ernährungsform in den ersten Lebensmonaten
Muttermilch sei laut Oberärztin Dr. Birte Tröger, Neonatologin der Gesundheit Nord, ideal auf die Bedürfnisse eines Säuglings zugeschnitten und damit die beste und natürliche Ernährungsform in den ersten Lebensmonaten. „Die erhöhte Anzahl von kleinen Frühgeborenen an der Grenze zur Überlebensfähigkeit stellt die Neugeborenenintensivmedizin auch in Bezug auf die Ernährung vor immer neue Herausforderungen“, sagt Tröger. „Mit der Etablierung der Frauenmilchbank für unsere Früh- und Neugeborenen können wir einen wichtigen Beitrag zur optimalen Versorgung der Kinder leisten und ihnen den bestmöglichen Start ins Leben ermöglichen.“ Die Frauenmilchbank der Gesundheit Nord in Bremen arbeitet nach dem Prinzip der klinikinternen Frauenmilchspende. Ausgewählte Mütter, die selber Patientinnen des Perinatalzentrums waren und deren eigene Kinder auf der Frühgeborenen-Intensivstation behandelt werden, sollen die Möglichkeit erhalten, überschüssige Milch zu spenden.
Spenderinnen-Milch als Überbrückung
Bei den Kindern, die die Spenderinnen-Milch bekommen, handelt es sich in erster Linie um extrem unreife Frühgeborene in der besonders sensiblen Zeit der ersten Lebenstage. Die Frauenmilchspende dient vornehmlich der Überbrückung, bis die eigene Mutter genug Muttermilch bereitstellen kann. Die Eltern werden zuvor natürlich um Einverständnis gefragt, ob ihr Baby mit Frauenmilch von Spenderinnen ernährt werden kann.
Finanziert wird die Frauenmilchbank hauptsächlich über Spendenbeiträge, da eine Finanzierung über die Kostenträger noch nicht erfolgt. Insbesondere die Helmut-und-Ruth-Märtens-Stiftung aus Bremen hat das Projekt über den Förderverein für Kinder- und Jugendmedizin Bremen e.V. finanziell sehr unterstützt. Mehr Infos zur Frauenmilchbank und Kontaktmöglichkeiten gibt es unter www.gesundheitnord.de/frauenmilchbank und auf der Seite der Frauenbank-Initiative e.V. unter www.fmbi.de.
Wann gelten Babys als Frühgeborene?
Kinder, die vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, bezeichnet man als Frühgeborene. Die älteren Frühchen brauchen meist nur wenig zusätzliche Unterstützung. Doch insbesondere die kleinen Frühgeborenen, die vor der 32. Woche zur Welt kommen oder weniger als 1.500 Gramm wiegen, sind auf die Intensivmedizin angewiesen. „Entscheidend ist dabei vor allem der Reifegrad der Organe“, sagt Dr. Thorsten Körner, leitender Arzt der Abteilung für Neonatologie.