Zum 1. Januar 2024 startet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost gemeinsam mit den Krankenkassen ein Modellvorhaben mit einem so genannten Regionalbudget. Was bürokratisch klingt, ist für die Versorgung psychisch kranker Menschen in Bremen ein großer Schritt nach vorn.
Die Umsetzung eines Regionalbudgets bedeutet, dass die Gesundheit Nord alle Kassenleistungen für den Bereich der Psychiatrie freier umsetzen und abrechnen kann, wovon gerade auch die Patientinnen und Patienten profitieren.
Der Prozess zwischen der Gesundheit Nord und den Krankenkassen wurde seit 2019 eng von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz begleitet.
„Dieses Modellvorhaben ist ein Meilenstein für unsere Psychiatriereform in Bremen, in der eine individuelle und zielgerichtete Versorgung der Patientinnen und Patienten im Vordergrund steht. Daher gilt mein Dank der Gesundheit Nord, den Krankenkassen und meinem Ressort für die gute Zusammenarbeit an diesem Projekt. Der Abbau der bürokratischen Hürden soll alle Beteiligten – vor allem aber die Bremerinnen und Bremer mit psychischen Erkrankungen – entlasten und eine optimale Behandlung ermöglichen“, sagt Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.
In der Vergangenheit wurden, wie bei allen anderen Krankenhaus-Leistungen auch, die Gelder für Bettenbelegung und Verweildauer abgerechnet. Mit dem neuen Modell, das zunächst maximal über einen Zeitraum von sieben Jahren läuft, wird nach behandelten Personen abgerechnet. Das verschafft der Klinik viel mehr Spielraum. „Wir können unseren Patientinnen und Patienten jetzt viel individuellere Angebote machen“, sagt Dr. Martin Zinkler, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Bremen-Ost, der die Klinik gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Martin Bührig leitet. Im Modell könnten die Patientinnen und Patienten je nach Bedarf zwischen den Versorgungsformen Station, Tagesklinik oder dem Home-Treatment- Programm BravO (Bremen ambulant vor Ort) wechseln. Wenn ein Patient zum Beispiel nur noch am Wochenende oder nur an zwei Tagen in der Woche die Tagesklinik braucht, um sich weiter zu stabilisieren, ist das jetzt genauso möglich, wie ein kurzfristiger Wechsel von der Station ins Hometreatment oder in die Tagesklinik, so Bührig. Der Betrag von den Kassen bliebe dabei exakt derselbe, aber er sei freier einsetzbar. „In der Psychiatrie ist die Abrechnung nach Betten nicht mehr wirklich sinnvoll, weil wir den Schwerpunkt von der stationären Behandlung hin zu einer ambulanten Behandlung verlagern wollen und auch schon massiv Betten zugunsten des BravO-Programms abgebaut haben“, sagt Zinkler. Für beide Chefärzte ist klar, dass die Umstrukturierung der Psychiatrie in ein personenzentriert-flexibles Hilfesystem, das vor Ort nahe bei den Menschen ist und vielfältige Angebote machen kann – wie auch von der Stadt Bremen gewünscht und vorgegeben – ohne ein solches Modellvorhaben sehr schwierig werden würde. Deshalb sind sie, wie auch die Geschäftsführung der Gesundheit Nord froh, dass die Kassen der Klinik so viel Vertrauen entgegenbringen. „Für unser psychiatrisches Versorgungsangebot ist die Umsetzung dieses Modellvorhabens gar nicht hoch genug einzuschätzen“, sagt Dr. Dorothea Dreizehnter, Geschäftsführerin des Klinikverbundes Gesundheit Nord. Das für Bremen neue und einzigartige Projekt werde natürlich wissenschaftlich begleitet, genauestens dokumentiert und ausgewertet und die Klinik liefere kontinuierlich transparent alle Behandlungsdaten an die Kassen.
Bremen ist nicht die erste Stadt mit einem solchen Modellvorhaben. Bereits in seiner vorherigen Wirkungsstätte Heidenheim hat Martin Zinkler die Reform der Psychiatrie mithilfe des im 5. Sozialgesetzbuch (§64 b) vorgesehenen Modellvorhabens umgesetzt. Dieses sieht vor, dass für ein solches „Versuchsprojekt“ eine örtlich begrenzte Region und ein bestimmter Patientenkreis eingeschlossen ist. Für Bremen bedeutet das, dass zunächst nur Patienten aus der Stadt Bremen, nicht aber Bremerhaven von diesem Vorhaben profitieren können. Ausgenommen sind zudem Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer Drogensucht behandelt werden müssen.
Auch bei der Personalgewinnung zeige sich das Modellvorhaben als großer Vorteil, sagen beide Chefärzte. Viele interessierten sich für die neuen Ansätze und hätten Lust, diesen Weg mitzugestalten. Außerdem fielen im BravO-Projekt viel weniger Nacht- und Wochenenddienste an und auch das sei für viele ein gewichtiges Plus.