Betroffene Patientinnen kennen die Angst davor, die eigenen vier Wände verlassen zu müssen und die verzweifelte Suche nach der nächstgelegenen Toilette: Wer an einer überaktiven Blase leidet, richtet häufig seinen gesamten Tagesablauf danach aus. „Es gibt Patienten, die bis zu 60 Mal am Tag zur Toilette müssen. Der Alltag wird dadurch massiv beeinträchtigt“, sagt Dr. Stefan Borowski, Leiter des interdisziplinären Kontinenz- und Beckenbodenzentrums am Klinikum Links der Weser. „Hinzu kommt die psychische Belastung. Inkontinenz und Blasenschwäche sind nach wie vor Tabuthemen.“ Nicht selten haben die Betroffenen die Hoffnung auf Besserung aufgegeben, schränken ihre sozialen Kontakte ein und ziehen sich völlig zurück.
Am interdisziplinären Kontinenzzentrum des Klinikums Links der Weser steht seit wenigen Wochen eine neue Therapiemöglichkeit zur Verfügung, die bei besonders schweren Fällen Linderung verspricht. Zunächst gilt es, die Ursache der Beschwerden abzuklären. Denn die Gründe für eine überaktive Blase können vielfältig sein: Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Blasensteine, Genitalsenkung, neurologische Erkrankungen oder eine Schädigung der inneren Schutzschicht nach wiederkehrenden Entzündungen der Blase.
Insbesondere wenn die innere Auskleidung der Blase beschädigt ist, verspricht die neue EMDA-Therapie (Electro Motive Drug Administration) eine deutliche Linderung der Beschwerden. Dabei wird unter örtlicher Betäubung ein spezieller Katheter über die Harnröhre direkt in die Blase eingeführt. Am Ende des Katheters befindet sich eine Elektrode, die ein schwaches elektrisches Feld erzeugt. Die Medikamente, die in flüssiger Form über den Blasenkatheter in die Blase gegeben werden, gelangen dank der elektrischen Spannung in tiefere Gewebeschichten und können dort ihre schmerzlindernde, entzündungshemmende und regenerierende Wirkung entfalten. Gleichzeitig wird die Blase leicht gedehnt und die Blasenfüllmenge erhöht.
Bislang mussten die betroffenen Patienten Tabletten einnehmen. Nachteil: Da sich die Wirkstoffe der Medikamente im gesamten Körper verteilen, kann es häufiger zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie beispielsweise Mundtrockenheit kommen. Dank der neuen Methode wird es möglich sein, die Krankheit nebenwirkungsärmer zu behandeln. „Die Medikamente können ihre Wirkung genau dort entfalten, wo die Schädigung aufgetreten ist, nämlich an der empfindlichen, inneren Schutzschicht der Blase“, so der Urogynäkologe Dr. Borowski. Die Wirkung der Medikamente hält in der Regel ein bis zwei Monate an. Danach kann die Therapie wiederholt werden.