Von vielen wird die neue Impfung gegen Alzheimer schon gefeiert, obwohl sie in Europa noch gar nicht zugelassen ist. Der Impfstoff soll in einem frühen Krankheitsstadium schädliche Ablagerungen im Gehirn beseitigen. Wir haben Prof. Thomas Duning, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Bremen-Ost, der an der klinischen Studie beteiligt war, nach Wirksamkeit und Risiken befragt.
Wie wirkt die Impfung gegen Alzheimer?
Zu den typischen Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung zählt die Bildung von Amyloid-Plaques, also Ablagerungen, im Gehirn. Diese sind am Nervenzelluntergang beteiligt und wahrscheinlich der Grund für die Gedächtnisstörungen. Die Impfung gegen Alzheimer aus synthetisierten Amyloid-Bruchstücken motiviert das körpereigene Abwehrsystem, diese Plaques zu beseitigen. Das funktioniert auch, weshalb das Medikament in den USA zugelassen wurde.
Sie waren mit Patientinnen und Patienten an der weltweiten klinischen Studie beteiligt. Wie schätzen Sie die Impfung ein?
Wir sehen hier erstmals seit Jahrzehnten einen großen Schritt nach vorne in der Alzheimer-Therapie. Nun gibt es den Ansatz zu einer kausalen Therapie, mit der wir die Krankheit als solche und nicht nur die Symptome behandeln können. Das ist ermutigend. Insbesondere Patienten mit beginnender Erkrankung scheinen zu profitieren. Andererseits war die Anzahl der behandelten Patienten nicht sehr groß und die Impfung ist keineswegs für jede und jeden geeignet
Für wen ist die Impfung geeignet und welche Risiken sind mit ihr verbunden?
Für die Impfung kommen ausschließlich Betroffene in Frage, die nur leicht erkrankt sind und sich in einem frühen Stadium der Erkrankung befinden. Zudem muss man ausreichend Alzheimerplaques besitzen. Hier ist eine frühe Diagnostik mit Biomarkern notwendig. Außerdem hatte die Impfung, die regelmäßig monatlich als Infusion verabreicht werden muss, bei einigen natürlich Nebenwirkungen. Um den Körper dazu zu bringen, die Plaques zu bekämpfen, ist eine leichte Entzündungsreaktion gewollt. Bei manchen sehen wir aber auch vermehrte entzündliche Veränderungen in der Bildgebung des Gehirns. Aus diesen Gründen ist es notwendig, sich während der Therapie regelmäßig beim Neurologen vorzustellen und immer wieder ein MRT des Kopfes zu machen.
Wann rechnen Sie mit einer Zulassung in Europa?
Der Antrag liegt der europäischen Zulassungsbehörde bereits vor, mit einer Entscheidung wird in diesem Herbst gerechnet. Aufgrund der wenigen Daten aus den Studien bin ich nicht sicher, wie die Behörde entscheidet.
Was sollte ich tun, wenn ich bei mir oder einem Angehörigen erste Anzeichen einer Demenz feststelle?
Das Wichtigste ist zunächst eine umfassende Diagnostik. Die bieten wir hier am Klinikum Bremen-Ost in vollem Umfang an. Dazu muss neben einer MRT-Untersuchung und neuropsychologischen Tests auch eine Liquoranalyse durchgeführt werden. Inzwischen kann man die Alzheimer-Biomarker im Labor sehr genau messen. Diese Diagnostik dauert zwei Tage. Sie kann stationär, aber auch tagesklinisch stattfinden, so dass die Patientinnen und Patienten abends nach Hause gehen und zuhause schlafen können. Erst nach einer genauen Diagnose sollte man eine individuelle Therapie festlegen. Es gibt ja auch schon seit über 10 Jahren zugelassene und wirksame Medikamente, die das Fortschreiten des Gedächtnisverlustes zumindest aufhalten können, auch wenn sie nicht kausal wirken.
Zur Person:
Prof. Dr. Thomas Duning ist Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Bremen-Ost. Zuvor war er am Universitätsklinikum Münster als leitender Oberarzt in der Neurologie tätig. Unter anderem leitete er dort eine der größten Gedächtnisambulanzen in Deutschland. Außerdem beschäftigte sich der Neurologe, der zudem Intensivmediziner und Geriater ist, mit der Delirprävention und -therapie und mit der Behandlung neurogenerativer Erkrankungen, wie der Demenz. Zu beiden Themen verfasst er die aktuellen deutschen Leitlinien.