Fernwärme von nebenan
Das Heizkraftwerk im Kämmerei-Quartier in Bremen-Nord produziert jeden Tag eine riesige Menge an Energie. „Da ist ein großes Wärmepotenzial vorhanden, doch der Großteil davon landet aktuell leider noch ungenutzt in der Atmosphäre“, sagt Sascha Brandt von der enercity contracting, einer 100-Prozent-Tochter des Energieunternehmens enercity. Bisher werden mit der Wärme des Heizkraftwerks lediglich ein paar Liegenschaften im Kämmerei-Quartier versorgt. Doch das soll sich schon bald ändern. Für Bremen-Nord soll ein großes Wärmenetz entstehen. „Gemeinsam mit unserem Projektpartner hkw blumenthal, dem Eigentümer des Heizkraftwerks, wollen wir dieses Potential heben und die bislang nicht genutzte Abwärme zur Wärmeversorgung von Großkunden wie Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Wohnquartieren einsetzen“, sagt Sascha Brandt.
Das Klinikum Bremen-Nord wird einer dieser ersten großen Abnehmer sein. Das Krankenhaus stellt damit seine komplette Wärmeversorgung bis 2026 auf Fernwärme um. „Bisher haben wir vor allem Gas zur Wärmegewinnung genutzt. Die Umstellung auf Fernwärme ist für uns rein Riesenschritt in Sachen CO2-Neutralität“, sagt Eduard Gallwas, Objektleiter des Technik- und Gebäudemanagements (TGM) im Klinikum Bremen-Nord. Die Versorgung mit Fernwärme biete dem Krankenhaus mehrere Vorteile. So mache man sich unabhängig vom Gasmarkt und schwankenden Preisen. „Auf lange Sicht ist es zudem die günstigere Variante und nicht zuletzt eine umweltfreundliche Lösung“, so Gallwas.
Wärmeversorgung verbundweit über Fernwärme
Die Gesundheit Nord erfüllt mit diesem Schritt auch die ersten Ziele der Klimaschutzstrategie 2038 des Landes Bremen. „Verbundweit werden dann die zukünftig verbleibenden Standorte Klinikum Bremen-Mitte, Klinikum Bremen-Nord und Klinikum Bremen-Ost zu 100 Prozent über Fernwärme als Heizenergie versorgt“, sagt Thomas Jacob, Leiter des Technik- und Gebäudemanagements der Gesundheit Nord. Der nächste Schritt ist dann der vollständige Verzicht auf aus Gas erzeugtem Dampf im gesamten Klinikverbund, der zurzeit etwa noch für die Versorgung der Sterilisatoren, Küche und Bettenwaschanlage gebraucht wird. Mit der geplanten Inbetriebnahme der Zentralküche 2026 soll dieser Schritt vollzogen sein. „Die dann im großen Umfang reduzierte, aber noch notwendige Dampferzeugung, erfolgt dann elektrisch“, so Thomas Jacob.
Die Wärme, die das Klinikum Bremen-Nord künftig nutzt, resultiert laut enercity contracting-Vertriebsleiter Sascha Brandt aus dem Verbrennen von stofflich nicht verwertbaren Abfällen. „Es handelt sich dabei also um unvermeidbare Abwärme, die hier sowieso entsteht und daher auch genutzt werden sollte“, so Brandt. Auch der Strom, der zum Betrieb der Pumpen nötig ist, um das Fernwärmenetz zu betreiben, werde durch die thermische Abfallverwertung im Heizkraftwerk erzeugt. Zusätzliche Energie brauche man nur noch für Instandhaltungsarbeiten und für den Fall, dass ein Ausfallkonzept greifen muss.
1.700 Tonnen weniger CO2-Ausstoß pro Jahr
Wie man Energie einsparen oder umweltfreundlichere Quellen beziehen kann, ist für die Gesundheit Nord ein Thema, das nicht erst mit Fridays for Future oder dem Krieg in der Ukraine in den Fokus gerückt ist. Die Frage, wie man den Energieverbrauch optimieren kann, ist für das Haustechnik-Team eine immer wiederkehrende Frage. So betreibt man in der Heizzentrale des Krankenhauses bereits seit den 1990er Jahren ein eigenes Blockheizkraftwerk, das 2016 modernisiert wurde und mit dem man in den vergangenen Jahren ein Drittel des eigenen Strombedarfs selbst erzeugen konnte. Die Abwärme, die man bei der Stromproduktion erzeugt, wird dabei wiederum genutzt – zum Beispiel für die Trinkwassererwärmung. Auch bei der Erneuerung der Kälteversorgung des Krankenhauses (für OP, medizinische Großgeräte, Technik- und IT-Räume) habe man in der Vergangenheit daran gearbeitet, um effizienter und umweltfreundlicher zu werden. Wie auch bei der Außenbeleuchtung arbeitet das Klinikum Bremen-Nord daran den Energieverbrauch um zwei Drittel zu reduzieren. „Energiesicherheit und Energieverbrauch spielen für ein Krankenhaus eine große Rolle. Bei laufenden Instandhaltungen und Investitionen legen wir aber besonderen Wert darauf, immer die energieeffizienteste Möglichkeit zu wählen“, betont Eduard Gallwas. Das Blockheizkraftwerk hätte 2025 grundlegend erneuert werden müssen. „Durch die volatilen Gaspreise und steigende CO2-Abgaben könnte man ein neues Blockheizkraftwerk nicht mehr sinnvoll betreiben“, sagt Gallwas.
Der aktuelle Gasbezug zum Heizen und für die Trinkwassererwärmung im Klinikum Bremen-Nord beträgt durchschnittlich 7.7 Millionen kWh pro Jahr, aus denen 6,3 Millionen kWh pro Jahr Nutzwärme erzeugt wird. „Durch die Umstellung fällt dies alles weg. Wir sparen eine riesige Gasmenge und wir verringern den CO2-Ausstoß um fast 1.700 Tonnen pro Jahr“, so Gallwas. In Sachen Effizienz sei nun die Nutzung der Wärme, die künftig vom Kämmerei-Gelände zum Klinikum geleitet werden soll, ideal. „Man nutzt, was sowieso an Wärmepotenzial vorhanden ist. Und das sogar ganz in der Nähe. Die Wertschöpfung bleibt regional“, sagt auch Sascha Brandt. Nach seinen Worten sollen die Leitungsbauarbeiten im Spätsommer beginnen. Und wenn alles nach Plan läuft, wird das Klinikum Bremen-Nord Ende 2025 bereits mit Fernwärme aus dem gar nicht so weit entfernten Kämmerei-Quartier versorgt