Vor vier Jahren ändert sich für Niklas das ganze Leben. Kurz nach seiner Konfirmation bekommt er Bauchschmerzen. „Erst habe ich gedacht, das wäre nur ein harmloser Infekt“, erzählt der Schüler. Er glaubt, dass alles schnell vorübergeht. Doch auch nach Wochen wollen die Beschwerden einfach nicht verschwinden. Niklas bekommt immer wieder Durchfall, Fieberschübe, er verliert Blut. Sein Hausarzt ist ratlos. Er schickt ihn zur Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Links der Weser. In der dortigen Kinderambulanz, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert, sind Ärzte und Pflegende auf Patienten wie Niklas eingestellt – und erst dort wird klar, was ihm fehlt.
Am Klinikum Links der Weser ist man seit Jahrzehnten spezialisiert auf Kinder mit gastroenterologischen und gynäkologischen Erkrankungen, außerdem auf Betroffene von Mukoviszidose, Harnwegs- und Nierenerkrankungen. Dr. Martin Claßen ist besonders auf diesen Gebieten ein weit über Bremens Grenzen hinaus geschätzter Experte. Bei Niklas stellt er eine seltene chronische Darmerkrankung fest, die besonders kompliziert verlaufen wird. Niklas steht eine langwierige Behandlung bevor.
Es folgen Jahre mit ständigen Aufs und Abs bei der Suche nach der richtigen Behandlungsweise. Stationären Aufenthalten folgen ambulante Untersuchungen. Notfälle folgen auf harmlose Phasen. Diagnosen müssen verändert werden. Genauso wie die Medikamente, die mal gut, dann wieder gar nicht helfen, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Es gibt Phasen in Niklas’ Leben, in denen sich Verzweiflung breit macht. Aber dieser verliert nie die Zuversicht.
Niklas wird in dieser schweren Zeit immer von denselben Ärzten behandelt. „Das habe ich als riesigen Vorteil empfunden“, sagt er. Diese feste Anlaufstelle habe ihm Sicherheit und Halt gegeben. Hier kennen sie seine Krankengeschichte. Und ohne die Kinderambulanz am Klinikum Links der Weser wäre diese enge und konstante Betreuung über Jahre wohl kaum möglich gewesen. Seit 30 Jahren gibt es diese Ambulanz bereits. Und sie hat etlichen Kindern wie Niklas geholfen, mit einer Krankheit zurecht zu kommen oder sie zu besiegen.
1987 setzte die Klinik auf die Weiterentwicklung von Schwerpunkten in der Kinderheilkunde, womit auch die kontinuierliche ambulante Betreuung Einzug hielt – das war Mitte der 1980-er Jahre noch nicht selbstverständlich. Eine Betreuung nach Maß wird am Klinikum Links der Weser heute durch die enge Verzahnung von niedergelassenen Kinderärzten, der Kinderambulanz, der Kindertagesklinik und der stationären Versorgung ermöglicht. „Kinder sollten nur so lange stationär betreut werden, wie unbedingt nötig“, sagt Chefarzt Dr. Martin Claßen. Für die jungen Patienten habe das den großen Vorteil, dass ihnen ein Klinikaufenthalt über Nacht erspart bliebe und das Familienleben weites gehend „normal“ weiterlaufen könne. Patienten aus einem Umkreis von über 100 Kilometern suchen die Kinderambulanz regelmäßig auf.
Niklas hat mit seiner Familie schon etliche Male die fast einstündige Autofahrt bis zum Klinikum Links der Weser auf sich genommen hat. „Diese Klinik war für uns auch in vielen Notfällen immer die erste Anlaufstelle“, sagt Niklas. Das Verhältnis zu Dr. Claßen beschreibt er als besonders vertrauensvoll. In der Kinderambulanz kennt Niklas fast jeder. Und man merkt schnell, wie sehr Pfleger und Ärzte ihn hier mögen. Niklas wirkt aufgeschlossen, sein Lächeln wirkt geradezu ansteckend. Diese Fröhlichkeit ist wohl alles andere als selbstverständlich, wenn man weiß, welche Tiefschläge er wegen seiner Krankheit schon erleiden musste.
Niklas’ chronische Darmerkrankung zeigt sich über Jahre als unberechenbar, Symptome tauchen plötzlich auf und verschwinden genauso schnell wieder. Die Krankheit ist eine andauernde Belastung für ihn und seine Familie, die quälende Ungewissheit ein ständiger Begleiter. Auch eine normale Ernährung ist für Niklas lange Zeit gar nicht möglich. „Über Monate habe ich mich nur von Astronautennahrung ernährt. Was anderes habe ich nicht vertragen“, erzählt Niklas. Immer wieder hat er mit starkem Gewichtsverlust zu kämpfen. „Vor einigen Monaten habe ich nur noch 40 Kilogramm gewogen. Das war eine sehr kritische Phase“, erzählt er. Er übersteht sie. Mittlerweile hat er sich wieder auf 52 Kilogramm hochgekämpft.
Seit einigen Wochen durchlebt Niklas eine ausgesprochen gute Phase. Ein Medikament wurde gefunden, mit dem Niklas seine Krankheit aktuell gut im Griff hat. Alle 14 Tage muss er sich das Medikament spritzen. Die Belastung hat vorerst abgenommen, seine Ernährung sich dafür normalisiert. „Auf wenige Dinge wie scharfes Essen muss ich natürlich noch achten. Und die Ungewissheit, dass es wieder schlechter laufen könnte, bleibt“, sagt er. Doch vielleicht ist pünktlich zum Übertritt ins Erwachsenenalter nun eine gute Basis gefunden, mit der er bald von anderen Ärzten weiterbegleitet werden kann. Denn so sehr sich die Behandlung bei Dr. Martin Claßen über die Jahre auch bewährt hat: Mit seinen nun 18 Jahren neigt sich auch für Niklas die Zeit in der Kinderambulanz allmählich dem Ende zu.
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