Frank Vaorin hatte unfassbares Glück im Unglück. Der 55-jährige Familienvater aus Cuxhaven stürzte bei Baumschnittarbeiten in seinem Garten von der Leiter, fiel vier Meter in die Tiefe und wurde von einer rostigen, mehr als einen Meter langen Zaunstange praktisch längs aufspießt. Die Stange bohrte sich neben seinem After durch den Bauch, vorbei am rechten Dickdarm, an lebenswichtigen Gefäßen und der Leber, durch das Zwerchfell in den Brustkorb. Sie verschonte ebenso die Lunge, durchstieß einige Rippen und kam unterhalb des Schlüsselbeins wieder zum Vorschein.
„Der Patient hatte nicht nur einen Schutzengel, das müssen ganz viele gewesen sein“, sagt Prof. Hüseyin Bektas, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie im Klinikum Bremen-Mitte. Sein Klinikteam hatte Frank Vaorin gemeinsam mit den Thoraxchirurgen operiert und die Stange wieder aus seinem Körper entfernt. „Dass die Stange nicht ein einziges Organ verletzt hat, ist praktisch ein Wunder. Solch einen Fall habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt“, sagt Bektas. Denn wäre der Mann aus Cuxhaven nur minimal anders auf die Stange geprallt, wären die Verletzungen weitaus schlimmer gewesen, hätte der Unfall sogar tödlich enden können.
Der Patient war samt der Stange mit dem Rettungshubschrauber in die Notaufnahme des Klinikum Bremen-Mitte gebracht worden. Zuvor hatte ihn die Feuerwehr auf seinem Grundstück erst aufwendig vom Zaun freischneiden müssen. „Ich war die ganze Zeit bei Bewusstsein“, erinnert sich Frank Vaorin. Sein Sohn Tom (21) hatte den Unfall im Garten direkt mitansehen müssen, alarmierte sofort die Rettungskräfte. „Ich weiß noch, wie ich dort auf der Stange hing, mit den Füßen in der Luft. Mein Sohn hatte mir schnell etwas unter die Füße geschoben, damit die Stange nicht noch weiter rutscht.“
Chefarzt Bektas sagt: „Es ist der Beweis dafür, dass man die Hoffnung niemals aufgeben darf, auch wenn die Chance auf eine Rettung noch so gering erscheint.“ Für Bektas sei der Fall so einzigartig, dass er ihn auch in internationalen Fachblättern beschreiben möchte.
Frank Vaorin muss nun in den nächsten Tagen noch zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Die großen Wunden müssen verheilen, zudem bekommt er Antibiotika gegen mögliche Entzündungen. Außerdem muss er den Unfall auch seelisch erst einmal verarbeiten, genau wie sein Sohn, der alles mit ansehen musste. „Ich danke den Ärzten und Rettungskräften, dass sie mein Leben gerettet haben und meinem Sohn, wie schnell er selbst geholfen und Hilfe gerufen hat. Ich bin einfach froh, dass ich noch lebe.“
Bildinfo: Mediziner sprechen bei dieser Art von Unfall von einer Pfählungsverletzung. Kaum vorstellbar, dass die stabile Zaunstange einmal längs den Körper von Frank Vaorin durchbohrte, ohne ihn dabei lebensgefährlich zu verletzen. Die Teams aus Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Thoraxchirurgie befreiten Vaorin wieder von der Stange.