Die Psychiatrie des Klinikverbunds Gesundheit Nord hat einen neuen Leiter: Prof. Dr. Jens Reimer, Psychiater und Psychotherapeut, hat zum Jahresbeginn das Amt des geschäftsführenden Direktors des Zentrums für Psychosoziale Medizin übernommen. In diesem Zentrum sind alle psychiatrischen und psychotherapeutischen Angebote des Klinikverbunds für Erwachsene zusammengefasst worden. Eine Ausnahme bildet lediglich die Klinik für Forensik. Diese neue Struktur ist mit Reimers Amtsantritt eingeführt worden. Am kommenden Dienstag, 12.4.2016, wird der neue Direktor nun offiziell begrüßt.
Jens Reimer, der aus Essen stammt und seine ärztliche Grundausbildung in der Inneren Medizin absolvierte, hatte zuletzt am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg als Suchtmediziner gearbeitet und geforscht – ein Bereich, den er auch in Bremen ausbauen will. Zudem möchte er die „aufsuchende Behandlung“ stärken. Das bedeutet, dass psychiatrische Patientinnen und Patienten möglichst wenig in der Klinik, sondern vor allem in ihrem vertrauten Umfeld behandelt werden. Beim so genannten „home treatment“ werden Patienten in ihrer Wohnung von Teams aus der Klinik besucht.
Eine weitere Neuerung, die Reimer einführen will, ist die „Expositionsbehandlung“. Dabei werden beispielsweise alkoholabhängige Patienten in ihre Stammkneipe begleitet, um dort einen Abend ohne Alkohol zu verbringen. Die Erfahrung, in einer schwierigen Situation widerstanden zu haben, stärke das Selbstvertrauen und erhöhe die Wahrscheinlichkeit, auch in Zukunft ohne Alkohol auskommen zu können, so Reimer. Grundsätzlich möchte der neue Psychiatrieleiter stärker auf so genannte „diagnosespezifische“ Behandlungen setzen und damit andere Schwerpunkte setzen als bisher. Bisher war die Struktur der Bremer Psychiatrie stark an den Stadtteilen orientiert, so dass beispielsweise Patienten aus dem Bremer Westen grundsätzlich im „Behandlungszentrum West“ behandelt wurden. Diese Struktur geht auf die Sozialpsychiatrie zurück, mit der Bremen in der Psychiatriereform der siebziger Jahre bundesweite eine Vorreiter-Rolle eingenommen hatte. „Ich habe großen Respekt vor den Errungenschaften der Sozialpsychiatrie“, so Reimer. „Wichtig ist, dass der Patient im Mittelpunkt steht. Er soll die Behandlung bekommen, die genau für ihn passt.“ Reimer will moderne Konzepte in das Bestehende einfließen lassen: „Ein wichtiger Ansatz ist gerade hier in Bremen die Behandlungskontinuität – ein transparentes Behandlungskonzept und durchgehend vertraute Ansprechpartner. Beides ist auch mir wichtig.“
Wichtig ist Reimer auch, psychische Krankheiten in ihrer komplexen Struktur zu sehen und auch somatische – also körperliche - Aspekte einzubeziehen. Die Trennung zwischen Geist und Körper bezeichnet er als „künstlich aufgebaut“. Vor diesem Hintergrund möchte Reimer in Bremen die „Lebensstilmedizin“ etablieren und ausbauen. Dabei geht es um vorbeugende und therapeutische Angebote zum gesunden Lebensstil, zu dem regelmäßige Bewegung ebenso wie gesunde Ernährung und ein gutes Stressmanagement gehöre. Dies betrifft keineswegs nur Psychiatrie-Patienten – aber auch bei diesen hat Reimer mit seinen Lebensstil-Ansätzen schon Erfolge erzielt. „Vielen hilft der Sport und die Bewegung an der frischen Luft bei der Therapie sehr“, so Reimer. „Sie merken, dass sie selbst etwas tun können, nehmen sich selbst besser und positiver wahr“.