An den Unfall kann sich Fritz Witt nicht mehr erinnern. „Das ganze Tag ist wie ausgelöscht", sagt der 59-jährige Bremer. Mit seinem Lieferwagen stand er auf der A 27 im Stau als ein Autotransporter ungebremst in das Stauende raste. Mit der Rettungsschere musste Witt von den Rettungskräften aus seinem völlig zerstörten Wagen befreit werden. Erst in der Notaufnahme des Klinikums Bremen-Mitte erlangte er das Bewusstsein wieder. „Meinem Beifahrer ist zum Glück nicht viel passiert, aber meine Unterschenkel hatte es erwischt. Die Pedale waren wohl im Weg", sagt Witt.
Dr. Jan Thies, Leitender Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Bremen-Mitte, hat die Verletzungen im Krankenhaus versorgt. „Herr Witt war schwer verletzt, beide Unterschenkel waren mehrfach gebrochen", erinnert sich der Chirurg. Bei der Operation konnte Thies auf neue Techniken zurückgreifen, die es dem Operateur ermöglichen schnell, präzise und gleichzeitig so patientenschonend wie möglich zu arbeiten. „Unterschenkelfrakturen werden in der Regel mit Hilfe eines Marknagels versorgt. Ein Titannagel wird unter Röntgenkontrolle vom Knie durch den Markraum des Schienbeins bis zum Sprunggelenk vorgeschoben, um den Bruch zu schienen", erklärt Thies das Verfahren. Um eine Rotation des Bruchs zu verhindern, wird der Titannagel ober- und unterhalb des Bruches mit Schrauben fixiert. Problem dabei: Die unteren Schrauben müssen im Bereich des Sprunggelenks ohne Zielvorrichtung, sozusagen freihändig, durch den Knochen in ein Loch im Marknagel geschraubt werden. Damit der Chirurg die Löcher im Nagel sehen kann, kommt ein mobiles Röntgengerät zum Einsatz. „Dieses Verfahren verlangt vom Operateur eine enorme dreidimensionale Vorstellungskraft", sagt der Leitende Oberarzt. „Unerfahrene Chirurgen können bei dieser Methode Probleme bekommen, was dazu führt, dass sich die Durchleuchtungszeiten in die Länge ziehen."
Zwei neue Geräte im Klinikum Bremen-Mitte helfen nun einerseits den Bruch perfekt auszurichten und andererseits die Strahlenbelastung für Patienten und Personal auf ein Minimum zu reduzieren. Zunächst sorgt ein so genanntes Repositionsgerät dafür, dass der Bruch noch vor der Marknagelung perfekt ausgerichtet wird. Auf eine nachträgliche Korrektur des Bruchs beim Vorschieben des Marknagels und eine Röntgendurchleuchtung kann verzichtet werden. „Das neue Verfahren schont insbesondere auch die Weichteile, also Muskeln, Bänder und Sehnen – gute Voraussetzungen für einen optimalen Heilungsverlauf", sagt Dr. Thies.
Hauptursache für lange und damit gesundheitsschädliche Durchleuchtungszeiten ist aber die so genannte Freihandverriegelung des Marknagels im Bereich des Sprunggelenks. Für diesen Arbeitsschritt wurde am Klinikum Bremen-Mitte ein neues magnetfeldgesteuertes Zielgerät (Sure-Shot) angeschafft, das völlig ohne schädliche Strahlung auskommt und dazu noch präziser als die herkömmliche Methode die Platzierung der Verriegelungsschrauben ermöglicht. Mit Hilfe des Magnetfelds sieht der Operateur auf einem Monitor genau, wo sich die Löcher im Marknagel befinden, um die Verriegelungsschrauben passgenau durch den Knochen zu drehen. „Eine Kombination aus beiden Geräten garantiert ein nahezu optimales Behandlungsergebnis – auch bei mehrfachen und komplizierten Unterschenkelbrüchen. Gleichzeitig konnten wir die durchschnittliche Durchleuchtungszeit fast halbieren auf nur noch knapp zwei Minuten pro Operation", sagt der Chirurg.
Fritz Witt muss noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. „Der Arzt hat mir gesagt, dass ich noch Glück hatte. Solche Unfälle können auch anders ausgehen. Mittlerweile kann ich mich schon wieder ganz gut bewegen", sagt Witt. Und dank der modernen Technik stehen seine Chancen gut, dass die Brüche optimal verheilen und außer kleinen Narben nichts zurückbleiben wird.