Das Handy ist immer in Reichweite. Es darf niemals ausgehen. Denn jeden Moment könnte dieser Anruf kommen, auf den Amina und ihre Familie so sehnsüchtig warten. Es wäre die Nachricht, dass eine geeignete Spenderlunge gefunden wurde, die auch in Aminas Körper funktionieren könnte. Vor kurzem war es fast so weit. Der Anruf kam, die Familie brach sofort auf nach Hannover ins dortige Transplantationszentrum. Doch dann stellte sich heraus, dass die Lunge doch nicht passte. Ob bald ein zweiter Anruf kommt, steht in den Sternen. Das einzige, was feststeht, ist, dass das 13-jährige Mädchen aus Bremerhaven ohne neue Lunge nicht mehr viel Zeit hat.
Amina leidet seit ihrer Geburt an Mukoviszidose, einer seltenen und chronischen Lungenerkrankung, bei der sich immer wieder Schleim in der Lunge absondert und die Lungenleistung beeinträchtigt. „Bei Amina liegt die Lungenfunktion nur noch bei 20 Prozent“, sagt Dr. Petra Kaiser-Labusch. Auch andere Organe wie die Leber sind stark betroffen. Die Oberärztin aus dem Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess (Elki) betreut und versorgt Amina bereits seit vielen Jahren. Die Krankheit und die besseren Versorgungsmöglichkeiten in Deutschland waren auch die Gründe, warum Amina mit ihrer Familie 2015 aus ihrer Heimat Tschetschenien nach Deutschland auswanderte. Ohne die Hilfe im Elki wäre Amina womöglich heute nicht mehr am Leben. „Wir haben hier in solch einem Zentrum viel mehr Möglichkeiten, um solche schweren Erkrankungen zu behandeln“, sagt Kaiser-Labusch.
„Amina ist eine große Kämpferin“
Bei Amina ist es eine besonders schwere Erkrankung und alle spezialisierten medikamentösen Therapien sind ausgereizt. „Wir haben mittlerweile enorme Fortschritte bei der Therapie, der Lebensqualität und Lebenserwartung von Menschen mit Mukoviszidose gemacht; dennoch verbleiben fünf bis zehn Prozent der Fälle, die kompliziert bleiben und bei denen der letzte Ausweg bei fortschreitender Lungen- oder auch Lebererkrankung letztlich eine Organtransplantation ist“, sagt die Oberärztin.
Bei Amina ist es kompliziert. Jeder Atemzug ist mit Belastung verbunden, das Sauerstoffgerät und die Schläuche sind längst Aminas ständige Begleiter geworden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich in ihrer Lunge durch den zähen Schleim als eine Art Nährboden ein hartnäckiger Keim und ein Schimmelpilz breitgemacht haben. Hinzu kam für Amina im Frühjahr auch noch eine schwere Corona-Erkrankung. „Das macht es alles nicht einfacher und hat noch einmal einen Schub nach unten bedeutet. Aber Amina ist eine richtige Kämpferin und hat die größtmögliche Unterstützung durch uns und ihre Eltern“, sagt Kaiser-Labusch.
Auf der europaweiten Warteliste für Spenderorgane steht Amina ganz weit oben. „Es gibt ja auch kaum dringendere Fälle als ein Kind, dessen Lungenfunktion auf ein Minimum gesunken ist und das auf ein lebenswichtiges Organ wartet“, sagt Kaiser-Labusch. Da sie mit ihren 13 Jahren schon recht groß ist, könnte bei Amina auch die Lunge eines jungen Erwachsenen passen. Das wäre immerhin ein kleiner Lichtblick, weil das die Wahrscheinlichkeit, ein passendes Spenderorgan zu finden, etwas erhöht.
„Organspende-Bereitschaft ist gestiegen, aber es geht noch viel mehr“
„Dieser Fall zeigt noch einmal, wie wichtig es ist, dass möglichst viele Menschen in Deutschland sich mit dem Thema auseinandersetzen und bestenfalls einen Organspendeausweis besitzen“, sagt Kaiser-Labusch. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.organspende-info.de) stehen derzeit etwa 8.500 Menschen aus Deutschland auf der Warteliste der europäischen Vermittlungsstelle. Knapp 300 von ihnen warten auf eine Lunge. Mittlerweile haben laut der Bundeszentrale heute 40 Prozent der Menschen in Deutschland einen Organspendeausweis (2012 waren es nur 22 Prozent). „Das Interesse und die Bereitschaft ist gestiegen, aber gerade im internationalen Vergleich ist hier in Deutschland noch sehr viel mehr möglich“, sagt Kaiser-Labusch.
Amina möchte mit ihrer Geschichte auch der großen Zahl an Wartenden ein Gesicht geben – und sie hofft, dass sich dadurch mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Sie selbst kämpft mit aller Kraft, die ihr nach 13 Jahren mit der Krankheit noch geblieben ist, weiter. Immer in der großen Hoffnung, dass noch ein zweiter und dann hoffentlich erlösender Anruf vom Transplantationszentrum nicht mehr lange auf sich warten lässt.