Die Zahl der Corona-Fälle nimmt zwar weiter ab und das Virus bestimmt Stück für Stück weniger den Alltag. Für viele Menschen, die die Infektion durchgemacht haben, bleiben die Nachwirkungen aber noch über Monate spürbar. „Wenn nach Überstehen der akuten Erkrankung die Symptome nicht weggehen oder vielleicht auch erst auftreten, dann spricht man in der Regel von Long Covid“, sagt Dr. Henriette Berger, Oberärztin der Lungenklinik im Klinikum Bremen-Ost. Bei einigen sind es nur leichte Einschränkungen, bei anderen sind es hingegen starke Beschwerden, die viele Organe betreffen können. Eine schwerer Verlauf ist dabei keine Voraussetzung dafür, dass sich ein Long Covid-Syndrom entwickeln kann. „Es gibt auch diejenigen, die nur schwache Symptome hatten oder die sich erst einmal gut von der Infektion erholt haben, dann aber auf einmal merken: Ich kriege doch wieder schlechter Luft und bin nicht belastbar“, erklärt die Lungenärztin. Auch Konzentrationsschwächen oder weniger Leistungsfähigkeit im Alltag würden oft von Patienten beschrieben. Wer solche Beschwerden anhaltend bei sich beobachtet , solle das unbedingt beim Arzt abklären lassen.
Leichte bis mittelschwere Fälle des Long-Covid-Syndroms machten meist keinen erneuten Krankenhausaufenthalt nötig. Patienten würden da langfristig von den niedergelassenen Praxen begleitet. Im Klinikum erleben Dr. Henriette Berger und ihre Kolleginnen und Kollegen dagegen vor allem die Nachwirkungen der schweren Verläufe. „Das sind Patienten, die nach ihrem Intensivaufenthalt die Infektion soweit überstanden haben, aber insgesamt noch sehr geschwächt sind“, sagt Berger. Auf ihrer Beatmungsstation im Klinikum Bremen-Ost erlebe sie täglich Menschen, die auch nach der Infektion noch nicht wieder alleine atmen könnten, vom Beatmungsgerät abhängig sein, nicht selbständig sitzen oder laufen können. „Diese Menschen sind schwerstkrank und müssen sich davon über viele Monate erholen“, sagt Berger.
Langer Reha-Weg
Wenn das Klinikteam es geschafft habe, sie von der Beatmung abzutrainieren, dann geht in die Reha, wo weiter trainiert wird – immer in der Hoffnung, dass sie nach Wochen oder Monaten wieder ganz normal im Alltags- oder Berufsleben teilhaben können. Dabei komme es auf einen behutsamen Wiederaufbau der eigenen Kräfte an, ohne die eigene Leistungsgrenze zu überschreiten. Auch gebe es Fälle, bei denen sich in Folge der Covid-Erkrankung eine chronische Erschöpfung festgesetzt habe – was als Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) bekannt ist. Die Ursachen dafür sind bisher nicht genau bekannt, „aber meistens ist es nicht das Virus selbst, sondern wahrscheinlich das Immunsystem, das nach der Infektion noch nicht wieder zur Ruhe gekommen ist“, so Berger. Bisher war es vor allem als Folge des Pfeifferschen Drüsenfiebers oder der Borreliose bekannt. Hierbei könne man vor allem gegen die Symptome ankämpfen, das Syndrom selbst halte sich dagegen sehr hartnäckig und langwierig.
Unterschied zwischen PIMS und Long Covid
„Das PIM-Syndrom, das bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt, ist sozusagen die Maximalvariante des Lond-Covid-Syndrom“, sagt Berger. Sie beschreibt es als überschießende Reaktion des Immunsystems, die zum Multiorganversagen führt. Bei der Behandlung im Krankenhaus komme es vor allem darauf an, der überschießenden Immunantwort entgegenzuwirken – zum Beispiel mit einer Cortison-Therapie. „Die Betroffenen sind zum Teil sterbenskrank und müssen auf Intensivstaton behandelt und mitunter beatmet werden.“
Zur Person: Dr. Henriette Berger ist Oberärztin der Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin im Klinikum Bremen-Ost und Vorsitzende des Fördervereins der Lungenstiftung Bremen. Mehr Infos zur Lungenklinik im Klinikum Bremen-Ost gibt es unter www.gesundheitnord.de/kbo. Alle Infos zur Arbeit der Lungenstiftung Bremen gibt es unter www.lungenstiftung-bremen.de.