Wie die Gesellschaft zu ästhetischen Eingriffen steht, hat sich in den vergangenen Jahren gravierend geändert. Das jedenfalls hat Prof. Can Cedidi beobachtet. Während kosmetische Korrekturen für die Generation 70plus praktisch kaum eine Rolle spielten, stünden Menschen im mittleren Alter dem Thema schon deutlich aufgeschlossener gegenüber. „Unter den jungen Leuten aber ist es heute ein sehr großes Thema. Da fassen sehr viele den Gedanken, was man hier und da an sich machen lassen kann“, sagt der Klinikdirektor der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie am Klinikum Bremen-Mitte. Der Wunsch, etwas an seinem Körper verändern zu lassen, oder zumindest darüber nachzudenken, sei zu einem großen Trend geworden. Ein Trend, der allerdings auch von unschönen Nebeneffekten begleitet werde. Denn auf der Suche nach mehr Schönheit entscheiden sich laut Cedidi viele Menschen für Anbieter, die die teuren Eingriffe sehr günstig anbieten, dabei aber oft nicht die nötige chirurgische Qualifikation und Qualität anbieten. „Das kann gravierende, manchmal sogar lebensbedrohliche Folgen haben“, mahnt Cedidi. Viele der Patientinnen und Patienten, die zunächst an unseriöse Anbieter geraten sind, landeten später bei ihm auf dem Operationstisch im Klinikum Bremen-Mitte, um dort den Schaden, der woanders entstanden ist, wieder korrigieren zu lassen.
„Der ethische Aspekt spielt heute eine größere Rolle denn je, weil auch das Interesse an solchen Eingriffen so groß ist wie nie. Wir müssen uns immer die Frage stellen: Wann ist ein Eingriff vertretbar bezüglich des Verhältnisses einer realistischen, erfolgreichen Korrektur mit vertretbarem Risiko und wann nicht. Und wer darf sowas überhaupt anbieten?“, sagt Cedidi. Dieser Aspekt ist auch einer der vielen Schwerpunkte des Kongresses, zu dem er als Kongresspräsident für den 28. bis 30. November 2024 einige der erfahrensten Plastischen Chirurgen aus aller Welt nach Bremen eingeladen hat. Beim sogenannten SOAP-Meeting, das im Bremer Parkhotel stattfindet, behandeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die neuesten Techniken und drängendsten Fragen ihres Fachgebiets. Und das Spektrum geht dabei weit über rein ästhetische Fragestellungen hinaus. Ein sehr bedeutsamer Aspekt in der Plastischen Chirurgie ist der Plastisch- Rekonstruktive Bereich: Dabei geht es um Fälle, bei denen ein Patient zum Beispiel durch eine komplexe Erkrankung, einen Unfall oder degenerative Prozesse massive Beeinträchtigungen in seiner Funktion und der äußeren Form und somit der Lebensqualität erleidet. Auch nach Verbrennungsunfällen kommt weltweit ausschließlich diese Gruppe der Chirurgen zum Einsatz, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Die Gründe für Plastisch-Ästhetische oder Plastisch-Rekonstruktive Eingriffe sind also vielfältig – auch wenn man umgangssprachlich und fälschlicherweise oft nur von Schönheitschirurgie spricht.
„Schönheitschirurgie oder -Medizin ist kein geschützter Begriff“, sagt Cedidi. So könne vom Kosmetikstudio bis zum Heilpraktiker heute praktisch jeder kleinere Eingriff wie Fältchen entfernen oder Lippen aufspritzen anbieten. Und selbst bei größeren Operationen gibt es Negativbeispiele unter Anbietern, denen die fachliche Kompetenz fehle. In den sozialen Netzwerken wie TikTok oder Instagram werde zudem extrem dafür geworben. „Es ist ein großer Markt entstanden. Und den Menschen fällt es dann oft schwer, einzuschätzen, welcher Anbieter seriös ist und welcher nicht“, sagt Cedidi. Auf Instagram könne überspitzt gesagt jeder mit oder ohne Qualifikation - das einzig gute Ergebnis nach einer Operation zeigen und als den allgemeinen Standard darstellen. Hinzu komme, dass seriöse Anbieter Eingriffswünsche von Patientinnen und Patienten auch eher ablehnten - „weil ein Eingriff ethisch einfach nicht vertretbar wäre oder Vorstellungen vorhanden sind, die man nicht erfüllen kann“, so Cedidi. Diese Personen würden sich dann ihren Wunsch woanders zu erfüllen versuchen. „Viele Menschen blenden aus, dass ein großer Eingriff wie eine Fettabsaugung eine durchaus große OP ist – die auch Risiken mit sich bringt. Deshalb sollten da absolut nur echte Fachleute operieren“, sagt Cedidi. Als Vorsitzender des Bremer Landesverbandes der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) rät er dazu, sich vorher möglichst genau zu informieren, nur auf zertifizierte Ärzte und Zentren zu vertrauen und sich auf den Seiten der DGPRÄC einen Überblick zu verschaffen und dort zum Beispiel die Arztsuche zu nutzen.
Das 6. SOAP-Meeting (State of the Art in Plastic Surgery) findet vom 28. bis 30. November im Bremer Parkhotel statt. Erwartet werden mehr als 200 Plastische Chirurginnen und Chirurgen aus aller Welt. An drei Veranstaltungstagen gibt es für das angemeldete Fachpublikum Vorträge, Workshops, Panels und Live-Übertragungen aus dem OP-Saal. Im Fokus stehen in diesem Jahr Gesichts- und Brustkorrekturen. Mehr Informationen unter www.soap-meeting-bremen.de