Patienten und Familien
Betroffene Patienten und deren Familien werden im Alltag mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Neben der Krankheitsbewältigung kommen anfangs viele praktische Fragen auf, zum Beispiel: "Kann ich die Behandlung auch selbst zuhause durchführen?", "Kann ich mit der Erkrankung verreisen?", "Welche Sportarten sind für mich geeignet?" usw.
Heimselbstbehandlung
Bei einer schweren Hämophilie ist die Gabe des fehlenden Gerinnungsfaktors die einzige wirksame Behandlung. Die Therapie wird als Substitutionstherapie bezeichnet und wird in regelmäßigen, individuell unterschiedlichen Abständen ausgeführt. In der Regel wird heute eine vorbeugende Therapie (Prophylaxe) bevorzugt. Ziel dieser prophylaktischen Therapie ist, Blutungen und damit verbundene Gelenkschädigungen zu vermeiden.
Die Therapie mit Faktorpräparaten können Sie selbst erlernen und zuhause duchführen. Auch Kinder können die Injektionen selbst durchführen. Wir unterstützen Kinder im eigenverantwortlichen und selbstbewußten Umgang mit der Erkrankung und deren Therapie. Je nach Entwicklungsstand des Kindes kann mit der Einweisung in die Eigeninjektion schon im Alter zwischen 8 und 10 Jahren begonnen werden.
Schule und Beruf
Kinder mit Gerinnungsstörungen können normale Schulen und Kindergärten besuchen. Wichtig ist, die Schule oder den Kindergarten über die Erkrankung des Kindes zu informieren, so dass bei einer Blutung, Sturz oder Trauma Hilfe geholt werden kann. Die Behandlung in einem solchen Fall besteht in der Gabe von entsprechendem Gerinnungsfaktor über die Vene. Vielleicht können Sie in der Schule oder im Kindergarten in einem Kühlschrank sogar ein ein Faktorkonzentrat für den Notfall deponieren.
Seit Einführung der modernen Substitutionstherapie sind blutungsbedingte Schulausfallzeiten und krankheitsbedingte Fehltage am Arbeitsplatz kaum mehr zu verzeichnen.
Bezüglich der Berufswahl wird empfohlen, keine Berufe zu erlernen, die mit einer Gefahr von Verletzungen durch Geräte, Maschinen oder Ausübung sturzgefährdeter Tätigkeiten verbunden sind. Schwere körperliche Arbeiten ohne mechanische Hilfsmittel können die Gesundheit nachhaltig gefährden.
Sport
Sport macht nicht nur Spaß, sondern fördert auch Koordination, kräftigt Muskeln und stabilisiert Gelenke. Zudem fördert er die Kommunikation und kann entspannend wirken. Grundsätzlich ist Sport auch für Patienten mit Gerinnungsstörungen möglich. Aus den oben genannten Gründen motivieren wir die Patienten Sport zu machen. Durch gute Koordination, Muskelkraft und stabile Gelenke kann man die Wahrscheinlichkeit für Blutungen senken.
Aber nicht jede Sportart ist für Patienten mit Gerinnungsstörungen geeignet! Bewegungsintensiver und verletzungsanfälliger Sport ist für diese Patienten gefährlich. Die sportliche Belastbarkeit muss den Gegebenheiten der Sportart, dem Alter, dem Schweregrad der Gerinnungsstörung, dem Gelenk- und Muskelstatus entsprechen und an der Leistungsfähigkeit des einzelnen ausgerichtet werden. Grundsätzlich gilt, dass nur nahezu verletzungsrisikofreie Sportarten angemessen sind.
Einige Beispiele für geeignete Sportarten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Schwimmen
- Wassersport, z. B. Rudern, Kajak, Kanufahren (nicht: Wildwasserfahrten)
- Radsport
- Tischtennis
- Sportschießen
- Skilanglauf
Notfallausweis
Um in Notfallsituationen effiziente Hilfe zu erhalten, solle jeder blutungsgefährdete Patient einen Notfallausweis bei sich tragen. Notfallausweise erhalten Sie bei Ihrem behandelnden Zentrum oder der Deutschen Hämophiliegesellschaft. Der Ausweis sollte Angaben über die Erkrankung, den Schweregrad der Erkrankung sowie die entsprechende Therapie enthalten. Zusätzlich kann eine Notfallkette getragen werden. Die Notfallkette enhält in einer kleinen Kapsel einen Zettel mit den entspechenden Angaben.
Schwerbehindertengesetz
Patienten mit ausgeprägter Blutungsneigung können beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Nach dem Schwerbehindertengesetz wird die Schwerbehinderung mit dem Begriff Grad der Behinderung (GdB) ausgedrückt. Die berufliche Leistungsfähigkeit oder volle Erwerbsfähigkeit hat mit dem Grad der Behinderung nichts zu tun.
Bedeutende Merkmale auf dem Schwerbehindertenausweis sind:
B: | ständige Begleitung notwendig |
G: | erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (gehbehindert) |
aG: | außergewöhnliche Gehbehinderung |
H: | Hilflosigkeit |
Mit dem Besitz eines Schwerbehindertenausweises sind verschiedene Nachteilsausgleiche (z. B. finanziell oder bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) verbunden. Zudem kann ein solcher Ausweis bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatzes von Vorteil sein.
Reisen
Grundsätzlich können Hämophile und andere blutungsgefährdete Patienten reisen. Sie sollten jedoch bedenken, dass die medizinische Versorgung und die hygienischen Bedingungen in vielen Ländern nicht den unsrigen entsprechen.
Führen Sie immer einen (internationalen) Notfallausweis mit sich. Faktorkonzentrate sind in den meisten Apotheken und Krankenhäusern nicht vorrätig, stellen Sie daher sicher, dass Sie eine ausreichende Menge an Faktorkonzentrat mitnehmen. Bei vielen Faktorkonzentraten sollte der Transport und die Lagerung gekühlt erfolgen (z. B. in einer Kühltasche). Es gibt allerdings schon einige Produkte, die bei Zimmertemperatur über einige Monate haltbar sind. Für Reisen ins Ausland benötigen Sie für die Ausfuhr von Faktor eine Zollbestätigung. Zollbestätigungen sowie Adresslisten von behandelnden Ärzten und Hämophiliezentren im Reiseland erhalten Sie bei Ihrem behandelnden Zentrum oder bei der Deutschen Hämophiliegesellschaft. Denken Sie auch an eine entsprechende Auslandskrankenversicherung.
Selbsthilfeorganisationen | Links
Deutschen Hämophiliegesellschaft
http://www.dhg.de/
Interessengemeinschaft Hämophiler e.V.
http://www.igh.info/
World Federation of Hemophilia
http://www.wfh.org/