Von Willebrand Syndrom
Geschichte
Im Jahre 1926 beschrieb der finnische Internist Erik Adolf von Willebrand zum ersten Mal das angeborene von-Willebrand Syndrom (VWS) am Beispiel einer Bluterfamilie von der Insel Föglö im Archipel der Ålandinseln in der Ostsee [1, 2]. Im Unterschied zur klassischen Hämophilie sind bei dem VWS auch Frauen betroffen und die Patienten haben eine im Wesentlichen normale Blutgerinnungszeit bei allerdings verlängerter Blutungszeit [1]. Eine weitere Spezifizierung der Details dieser Erkrankung gelang dann durch die Mitarbeit des Leipziger Hämatologen Jürgens, der u.a. eine verminderte Agglutinationsneigung der Thrombozyten (Blutplättchen) bei einigen dieser Patienten nachwies [1, 3]. Aus dieser Zusammenarbeit rührt die Bezeichnung der von-Willebrand`schen Erkrankung auch als von-Willebrand-Jürgens Syndrom (VWJS). 1933 gelang es dann Zimmerman und Kollegen, das so genannte Faktor-VIII-assoziierte Antigen, später VWF-Antigen (VWF:Ag) genannt, nachzuweisen [4, 5].
Funktion des von Willebrand Faktors
Der von Willebrand Faktor hilft bei der Anheftung von Blutplättchen an die verletzte Gefäßwand, sowie der Blutplättchen untereinander. Außerdem schützt er den Gerinungsfaktor VIII vor vorzeitigem Abbau.
Krankheitsbild des von Willebrand Syndroms
Entsprechend seiner Funktion führen Ausfälle des VWF zu Blutungen, vor allem im Schleimhautbereich. Daneben berichten die Patienten aber auch über die Neigung zu Hämatomen. Die Entwicklung eines Gelenkschadens, der für eine schwere Hämophilie A typisch ist, wird beim VWS eher nicht beobachtet. Wenn überhaupt, so sind Gelenk- oder Muskelblutungen für diese Patientengruppe selten und treten dann bei Patienten mit einem VWS-Typ 3 auf, bei dem es zu einem kompletten Fehlen des VWF kommt und als Folge zu niedrigen FVIII Spiegeln. Auch Patienten mit einem Defekt der VWF-FVIII Bindung wie beim VWS-Typ 2 N (Normandie) zeigen diese Symptome häufiger [4].
Entsprechend der Pathologie hat sich folgende Einteilung der VWS-Typen bewährt:
VWS-Typ 1: Patienten mit einem niedrigen VWF:Ag Spiegel
VWS-Typ 2: Patienten mit qualitativen Defekten des VWF (der VWF funktioniert nicht richtig, ist aber vorhanden)
VWS-Typ 3: Patienten mit praktisch völligem Fehlen des VWF.
Bei VWS-Typ 2 gibt es verschiedene Untergruppen.
Therapie des Von Willebrand Sydroms
Für die Behandlung des VWS stehen je nach Subtyp unterschiedliche Behandlungen zur Verfügung.
DDAVP
Bei der häufigsten Form, dem VWS-Typ 1, sowie bei einigen Patienten mit VWS-Typ 2A kann in vielen Fällen mit Desmopressin (DDAVP) therapiert werden. DDAVP bewirkt eine vermehrte Freisetzung des VWF aus den Speicherorganellen [4]. DDAVP ist gut geeignet für diese Patienten vor zahnärztlichen Eingriffen oder kleineren Operationen. Allerdings ist vorab die Testung auf Wirksamkeit (sogenannter DDAVP-Test) notwendig. Die Wirkung von DDAVP erschöpft sich aufgrund der Entleerung der Speicher nach einige Gaben. Ob bei einem Patienten die Gabe von DDAVP in Frage kommt, ist abhängig von der Diagnose und eventuell vorliegenden Kontraindikationen (Alter < 4 Jahre, neurologische Grunderkrankung etc.).
Tranexamsäure
Eine weitere Therapieoption stellt die Gabe von Tranexamsäure dar [4]. Tranexamsäure hemmt die Fibrinolyse (das Auflösen von Blutgerinnseln) und kann insbesondere bei Schleimhautblutungen, auch gynäkologischen, hilfreich sein.
Von Willebrand Faktor haltiges Faktor VIII Präparat
Therapie der Wahl für VWS-Typ 3/2N/2B Patienten sowie alle Patienten, bei denen die oben genannten Therapieoptionen nicht ausreichend oder möglich sind, ist die Gabe eines VWF- haltigen Faktor VIII Konzentrates oder eines reinen VWF-Konzentrates. Bei der Wahl des Präparates sollte vor allem auf den Gehalt an hochmolekularen Multimeren geachtet werden [4]. Rekombinante VWF-Konzentrate sind in der Entwicklung.